Der 8. Februar 1944 -2° CSUS. Südlich der ukrainischen Stadt Cherkassi stehen 60.000 deutsche Soldaten in einem Kessel, umringt von sowjetischen Armeen. Seit Tagen gibt es keinen Nachschub mehr. Die Munition wird knapp. Die Verwundeten erfrieren in notdürftigen Unterständen. In dieser Nacht beginnt einer der verzweifelt Ausbruchsversuche des Zweiten Weltkriegs. 30.

000 Männer werden die nächsten Tage überleben. 30.000 werden es nicht schaffen. Was folgt, ist keine heroische Erzählung, sondern ein Bericht über menschliches Leid, militärisches Versagen und die brutale Realität eines Krieges, der längst verloren war. Wer die verschütteten Kapitel der Geschichte verstehen möchte, findet auf diesem Kanal regelmäßig neue tiefgründige Dokumentationen über das 20. Jahrhundert.
Um die Kesselschlacht von Cherassi zu verstehen, müssen wir zurückblicken auf den Winter 1943 und 1944. Nach der Katastrophe von Stalingrad im Februar 1943 und der verlorenen Panzerschlacht bei Kursk im Sommer desselben Jahres hat die deutsche Wehrmacht an der Ostfront die strategische Initiative endgültig verloren.
Die rote Armee, gestärkt durch amerikanische und britische Hilfslieferungen, massiv aufgerüstet und mit erfahrenen Kommandeuren, drängt unaufhaltsam nach Westen. Das Deutsche Reich kämpft nicht mehr um Sieg. sondern um Verzögerung. An der südlichen Ostfront in der Ukraine steht die Heresgruppe Süd unter dem Befehl von Generalfeldmarschall Erich von Mannstein. Mannstein gilt als einer der fähigsten deutschen Strategen.
Ein Mann, der im Winter 1943 den sowjetischen Vormarsch nach der Stalingradniederlage durch geschickte Gegenangriffe vorübergehend stoppen konnte. Doch im Winter 1943 auf4 fehlt ihm, was er am dringendsten braucht. Reserven, Material und vor allem die Erlaubnis Adolf Hitlers taktische Rückzüge durchzuführen.
Hitler, zunehmend Realitätsfern in seinem Führerhauptquartier, hat nach Stalingrad eine Doktrin verkündet, die jeden militärischen Grundsatz ignoriert. Festungen sollen gehalten werden, komme was wolle. Rückzüge sind verboten. Eingekesselte Verbände müssen ausharren und auf Entsatz warten. Diese Befehle widersprechen jeder operativen Vernunft. Doch niemand wagt es Hitler offen zu widersprechen.
Die Generale, einst stolz auf ihre preußische Militärtradition sind zu Befehlsempfängern geworden, die zwischen Pflichtgefühl, Angst und dem Wissen um die Aussichtslosigkeit schwanken. An der Dneper Biegung südlich von Kiev haben sich im Januar 1944 zwei deutsche Armeekor festgesetzt. Das 11te Armeekor unter General Wilhelm Stämmermann und das 42.
Armeekors unter General Theobald Lieb bilden zusammen eine Kampfgruppe von etwa Thorsen Cedin Ces um fast 60.000 Mann. Sie halten einen Frontbogen, der strategisch schwer zu verteidigen ist. Die Stellungen liegen in flachem, offenem Gelände, durchzogen von vereisten Flüsschen und kleinen Waldstücken.
Die Versorgungswege sind lang und anfällig. Mahnstein hat wiederholt vorgeschlagen, diese exponierten Stellungen aufzugeben und die Front zu begradigen. Hitler hat abgelehnt. Die sowjetische Führung erkennt die Schwäche dieser deutschen Stellung sofort. General Ivan Stepanovic Konev, Befehlshaber der zweiten ukrainischen Front und General Nikolai Fjodorovic Watunin, Befehlshaber der ersten ukrainischen Front, planen eine Zangenbewegung.
Ihre Strategie ist klassisch und bewährt. Mit überlegenen Kräften werden sie die Flanken der deutschen Stellung durchbrechen, die beiden Stoßkeile im Rücken des Gegners vereinigen und den Kessel schließen. Es ist dieselbe Taktik, die die Deutschen selbst in den ersten Kriegsjahren so erfolgreich angewandt haben. Nun wird sie gegen sie verwendet. Am 24.
Januar 1944 beginnt die sowjetische Offensive. Watunins Truppen stoßen von Norden vor Konevs Verbände von Süden. Die deutschen Linien, dünn besetzt und schlecht versorgt, brechen an mehreren Stellen. Verzweifelte Gegenangriffe können den Durchbruch nur verzögern, nicht verhindern. Am 28. Januar schließt sich die Zange. Bei der Ortschaft Sven Gorotka vereinigen sich sowjetische Panzerverbände. 60.
000 Deutsche Soldaten sind eingeschlossen. General Stämmermann übernimmt das Kommando über die eingekesselten Truppen. Er ist ein erfahrener Offizier, 55 Jahre alt, pragmatisch und bei seinen Männern respektiert. Sofort beginnt er die Verteidigung zu organisieren. Die eingeschlossenen Verbände ziehen sich auf eine Fläche von etwa 20 x 30 km zurück.
In den Dörfern werden Verteidigungsstellungen ausgebaut. Die Verwundeten werden in Kirchen und Scheunen zusammengetragen. Stämmermann weiß, dass seine Lage aussichtslos ist, wenn nicht schnell Hilfe kommt. Die Versorgung aus der Luft beginnt sofort, doch sie ist bei weitem nicht ausreichend.
Die Luftwaffe hat im vierten Kriegsjahr längst nicht mehr die Kapazitäen, einen Kessel dieser Größe angemessen zu versorgen. Transportflugzeuge werfen Munition, Medikamente und Verpflegung ab, doch vieles geht verloren. Die Landeplätze liegen unter sowjetischem Artilleriefeuer. Flugzeuge werden abgeschossen. Verwundete können nicht ausgeflogen werden.
Bald stapeln sich die Toten in den Dörfern, weil der gefrorene Boden keine Gräber zulässt. Von außen versucht Mannstein einen Entsatzangriff zu organisieren. Er sammelt alle verfügbaren Reserven, darunter Panzerverbände, die eigentlich an anderen Frontachnitten dringend gebraucht werden. Das dritte Panzerchor unter General Hermann Breit soll von Süden her zum Kessel vorstoßen und einen Korridor öffnen.
Hitler gibt seine Zustimmung, verbietet aber weiterhin, dass die eingekesselten Truppen dem Entsatz entgegenlaufen. Sie sollen ihre Stellungen halten. Der Entsatzangriff beginnt am 1. Februar 1944. Breitspanzer kämpfen sich durch sowjetische Verteidigungslinien, Dorf für Dorf, Hügel für Hügel. Die Verluste sind hoch.
Sowjetische Panzerabwehrkanonen, gut getart in Schneewehen, vernichten deutsche Panzer aus kurzer Distanz. Infanterie muss nachts in eisiger Kälte angreifen, um tagsüber gewonnenes Gelände zu halten. Nach wenigen Tagen ist das dritte Panzerchor erschöpft. Der Vorstoß kommt 15 km vor dem Kessel zum Erliegen. Währenddessen verschlechtert sich die Lage innerhalb des Kessels dramatisch.
Die Temperaturen fallen weiter. -25°. Erfrierungen werden zur alltäglichen Qual. Soldaten verlieren Zehen, Finger, Ohren. Die medizinischen Einrichtungen sind überfüllt. Chirurgen amputieren ohne Betäubung, weil die Medikamente aufgebraucht sind. Tyfus und Ruhe breiten sich aus. Die Verpflegung wird rationiert. 200 g Brot pro Tag. Kein warmes Essen.
Pferde werden geschlachtet, um das Überleben zu sichern. Offiziere berichten später, dass manche Männer apaisch wurden, in Erdlöchern saßen und einfach aufhörten zu kämpfen, zu essen, zu existieren. Die sowjetische Führung intensiviert den Druck. Artillerie beschießt Tag und Nacht die deutschen Stellungen. Angriffe rollen in Wellen gegen den Kessel.
Koniv und Watunin wissen, dass sie den Kessel vernichten müssen, bevor der Frühling das Land in unpassierbaren Schlamm verwandelt. Sie wollen einen weiteren Stalingrad, einen Sieg, der die Welt beeindruckt. Lautsprecher in den Linien fordern die deutschen Soldaten zur Kapitulation auf. Flugblätter werden abgeworfen. Doch die meisten Männer im Kessel haben Angst vor sowjetischer Gefangenschaft. Die Propaganda beider Seiten hat gewirkt.
Viele glauben, dass Gefangenschaft den Tod bedeutet. Am 11. Februar erreicht Mannstein die Nachricht, dass der Entsatzangriff gescheitert ist. Breit kann nicht weiterkommen. Die sowjetischen Reserven sind zu stark. In einer dramatischen Fernsprechkonferenz mit Hitler fordert Mannstein die Erlaubnis für den Ausbruch.
Es ist die einzige Chance, wenigstens einen Teil der Truppen zu retten. Hitler zögert. Er hasst Rückzüge. Er hasst das Aufgeben von Gelände. Doch selbst er kann nicht länger die Realität ignorieren. Am 12. Februar kommt die Genehmigung. Die eingeschlossenen Verbände dürfen ausbrechen. Stämmermann erhält den Befehl in den frühen Morgenstunden des 12. Februar.
Er muß nun das scheinbar Unmögliche organisieren. 60 000 Männer, darunter tausende Verwundete durch mehrere Linien sowjetischer Verteidigung in Sicherheit bringen. Die schweren Waffen, die Panzer, die Artillerie müssen zurückgelassen werden. Es gibt nicht genug Treibstoff, um sie mitzunehmen und der Durchbruch muss schnell erfolgen.
Die Soldaten werden zu 20 Fuß durch den Schnee marschieren müssen. Nur leichte Waffen, Munition. und das Nötigste können mitgenommen werden. Der Ausbruch wird für die Nacht zum 16. Februar angesetzt. Die Richtung ist südwestlich, dorthin, wo Breitspanzer am nächsten herangekommen sind. Die Männer werden in drei Stoßkeilen angreifen. Die stärksten Verbände vorn, um die sowjetischen Linien zu durchbrechen.
In der Mitte die Verwundeten, so gut es geht transportiert auf Schlitten und Karren. Am Ende die Nachhut, die den Rückzug decken muss. Es ist ein Plan, der nur unter idealen Bedingungen funktionieren könnte. Die Bedingungen sind alles andere als ideal. In den Tagen vor dem Ausbruch herrscht angespannte Stille im Kessel. Die Männer wissen, was bevorsteht.
Offiziere gehen von Einheit zu Einheit, erklären den Plan, versuchen Zuversicht zu verbreiten. Doch die meisten Soldaten sind Realisten. Sie wissen, dass viele von ihnen die nächsten Tage nicht überleben werden. Briefe werden geschrieben an Frauen, Mütter, Kinder. Persönliche Gegenstände werden verbrannt oder vergraben. Waffen werden überprüft, Munition verteilt.
Verwundete, die nicht laufen können, stehen vor einer grausamen Wahl. zurückbleiben und in sowjetische Gefangenschaft geraten oder von Kameraden mitgeschleppt werden mit allen Risiken. Am Nachmittag des 15. Februar fällt neuer Schnee. Er bedeckt die Spuren, aber er macht das Marschieren noch schwerer. Gegen 18 Uhr beginnen die Vorbereitungen.
Die Verbände formieren sich in der Dunkelheit. Männer stehen dicht gedrängt, atmen in die Hände, stampfen mit den Füßen. Flüstern geht durch die Reihen. Um 22 Uhr gibt Stämmermann das Signal. Die ersten Einheiten setzen sich in Bewegung. Der Vorstoß beginnt in erschreckender Stille. Keine Schüsse fallen. Die deutschen Soldaten bewegen sich durch die Nacht, durch Schnee und Kälte auf sowjetische Stellungen zu.
Dann plötzlich bricht die Hölle los. Sowjetische Maschinengewehre eröffnen das Feuer. Leuchtraketen steigen in den Himmel und tauchen die Schneelandschaft in gespenstisches Licht. Artillerie beginnt zu donnern. Die ersten Reihen der deutschen Angreifer werden niedergemäht. Doch die Masse strömt weiter. Männer rennen, stolpern, fallen, stehen wieder auf.
Handgranaten explodieren. Nahkampf entbrennt in den sowjetischen Schützengräben. Innerhalb einer Stunde ist der erste sowjetische Verteidigungsring durchbrochen. Doch dahinter liegt der zweite und dahinter der Dritte. Die sowjetische Führung hat mehrere Verteidigungslinien aufgebaut, gestaffelt in die Tiefe. Jede muss erobert werden.
Die deutschen Soldaten kämpfen mit einer Verzweiflung, die nur die Aussicht auf den Tod verleihen kann. Sie wissen, dass zurückbleiben das Ende bedeutet. Also kämpfen sie sich vorwärts, Meter um Meter. In der Morgendämmerung des 16. Februar hat die Spitze des Ausbruchs etwa 5 km zurückgelegt. Hinter ihnen eine Spur aus Toten und Verwundeten.
Die Kolonnen ziehen sich über Kilometer. Ordnung gibt es kaum noch. Einheiten haben sich vermischt. Offiziere versuchen Kontrolle zu behalten, doch viele sind gefallen oder verwundet. Männer laufen einfach weiter, getrieben von Instinkt und Überlebenswillen. Tagsüber intensiviert sich der sowjetische Widerstand.
Panzer fahren auf, feuern in die Kolonnen. Kavallerieeinheiten der Roten Armee umreiten die Flanken, attackieren von den Seiten. Artillerie hämmert ohne Pause. Deutsche Soldaten werfen sich in den Schnee, versuchen Deckung zu finden. Doch der Schnee bietet keinen Schutz gegen Granatsplitter. Die Verluste steigen stündlich, Verwundete werden zurückgelassen.
Es gibt keine andere Wahl. Wer nicht weiterlaufen kann, bleibt im Schnee liegen. Manche werden später von sowjetischen Soldaten gefunden und gefangen genommen. Viele erfrieren. Gegen Mittag des 16. Februar erreicht die Spitze des Ausbruchs den Fluss Gniloy Tik. Es ist ein kleiner Fluss, normalerweise keine große Barriere, doch jetzt ist er teilweise zugefroren, teilweise aufgetaut.
Das Eis trägt nicht überall. Männer brechen ein, versinken im eiskalten Wasser, ertrinken oder sterben binnen Minuten an Unterkühlung. Andere suchen verzweifelt nach Fortstellen. Chaos bricht aus. Auf der anderen Seite des Flusses liegt sowjetische Artillerie und beschießt die Masse der Männer, die sich am Ufer drängen.

Einige Einheiten bilden Ketten, um durch das Wasser zu warten. Offiziere schreien Befehle, die im Lärm untergehen. Männer ziehen Verwundete auf Decken über das Eis, das unter dem Gewicht kracht und bricht. Der Fluss wird zur Todesfalle. Hunderte ertrinken, erfrieren oder werden von sowjetischem Feuer getötet, während sie hilflos im Wasser strampeln.
Doch tausende schaffen es hindurch. Sie erreichen das andere Ufer, kriechen in Deckung, kämpfen weiter. Am Nachmittag des 16. Februar kommt die Nachricht, dass General Stämmermann gefallen ist. Er wurde von Granatsplittern getroffen, als er versuchte, eine Einheit zu reorganisieren. Mit ihm sterben hunderte von Offizieren in diesen Stunden. Die Befehlskette bricht zusammen. Es gibt kein zentrales Kommando mehr.
Jede Einheit, jede Gruppe, jeder einzelne kämpft für sich. Der Ausbruch wird zu einer chaotischen Flucht. Während des Tages und der folgenden Nacht wälzt sich die Masse der Soldaten weiter nach Südwesten. Männer laufen 30, 40, 50 Stunden ohne Pause. Wer stehen bleibt, schläft im Stehen ein und erfriert.
Also laufen sie weiter, mechanisch, halbwusstlos vor Erschöpfung. Manche Männer irren ab, verlieren die Orientierung, laufen in die falsche Richtung, direkt zurück in sowjetische Linien. Andere schließen sich kleinen Gruppen an, kämpfen sich gemeinsam durch. Am 17. Februar erreichen die ersten Überlebenden die deutschen Linien bei Lisanka.
Breits Panzer haben einen schmalen Korridor offen gehalten. Soldaten taumeln aus dem Wald, ausgezehrt, erfroren, traumatisiert. Manche können nicht mehr sprechen. Sie starren nur. Sanitäter versuchen zu helfen, doch es sind zu viele. In den nächsten zwei Tagen kommen weitere Gruppen an. In kleinen Trups, allein, verwundet. Die meisten haben ihre Waffen verloren.
Viele sind barfuß, weil ihre Stiefel im Schlamm stecken geblieben sind oder so durchgefroren waren, dass sie sie abschneiden mussten. Die Zahlen sind verheerend. Von 60.000 Männern haben etwa 30.000 den Ausbruch überlebt. 30.000 sind gefallen, verwundet in Gefangenschaft geraten oder vermisst. Alle schweren Waffen, alle Panzer, alle Artillerie, alle Fahrzeuge sind verloren.
Die beiden Armeecor existieren faktisch nicht mehr. Die Überlebenden sind kampfunfähig. Viele werden nie wieder an die Front zurückkehren. Die sowjetische Seite feiert den Sieg. Kone und Watunin berichten nach Moskau, dass der Kessel vernichtet wurde. Stalin ist zufrieden. Die Schlacht von Cherassi wird in der sowjetischen Geschichtsschreibung als bedeutender Erfolg dargestellt.
Die rote Armee hat bewiesen, dass sie nicht nur verteidigen, sondern auch einschließen und vernichten kann. Das psychologische Signal ist wichtig. Die Deutschen sind nicht unbesiegbar. Warum verlief die Schlacht so katastrophal für die deutsche Seite? Die Antworten liegen auf mehreren Ebenen. Zunächst das strategische Versagen.
Die exponierten Stellungen südlich von Cherkassi hätten nie gehalten werden dürfen. Mahnstein hatte dies erkannt, doch Hitler ignorierte alle militärischen Ratschläge. Die Doktrin des Haltens um jeden Preis hatte in Stalingrad zu einer Katastrophe geführt und sie führte in Cherassi zur nächsten. Auf operativer Ebene war der Entsatzangriff zu schwach und zu spät. Breit hatte nicht genug Panzer, nicht genug Infanterie, nicht genug Unterstützung.
Die deutschen Reserven waren nach 3 Jahren Krieg erschöpft. Jede verfügbare Division wurde gebraucht, um irgendwo an der riesigen Front Löcher zu stopfen. Es gab keine strategische Reserve mehr. Mannstein mußte improvisieren und Improvisationen gewinnen keine Schlachten gegen einen zahlenmäßig überlegenen, gut geführten Gegner. Auf taktischer Ebene war der Ausbruch schlecht vorbereitet.
Drei Tage Vorbereitungszeit für eine Operation dieser Komplexität waren bei weitem nicht genug. Die Männer waren bereits erschöpft und unterernährt, bevor der Ausbruch begann. Die Verwundeten hätten niemals mitgenommen werden dürfen, doch sie zurückzulassen war moralisch unmöglich. Das Ergebnis war ein Kompromiss, der beiden Seiten nicht gerecht wurde. Die sowjetische Überlegenheit war erdrückend.
Die rote Armee hatte gelernt. Ihre Offiziere waren erfahren, ihre Truppen motiviert. Sie kämpften auf eigenem Boden, verteidigten ihre Heimat gegen Invasoren. Die deutschen Soldaten hingegen kämpften in einem Krieg, von dem die meisten inzwischen wussten, dass er verloren war. Diese psychologische Dimension wird oft unterschätzt, doch sie ist entscheidend.
Soldaten, die nicht mehr an den Sieg glauben, kämpfen anders als Soldaten, die ihre Häuser verteidigen. Ein weiterer Aspekt ist die logistische Katastrophe. Die Luftwaffe konnte den Kessel nicht versorgen. Die Erfahrungen von Stalingrad hatten nichts gelehrt oder viel mehr.
Sie hatten gelehrt, dass Luftversorgung nicht funktioniert. Doch die Lehre wurde ignoriert. In Cherassi war die Situation sogar schwieriger als in Stalingrad, weil die Luftwaffe inzwischen noch schwächer war. Jäger der roten Armee kontrollierten zunehmend den Luftraum. Transportflugzeuge waren leichte Beute. Die menschliche Dimension dieser Schlacht ist schwer in Worte zu fassen.
Überlebende berichten von Szenen, die jede Vorstellungskraft übersteigen. Männer, die ihre erfrorenen Gliedmaßen selbst amputierten. Verwundete, die ihre Kameraden anflehten, sie zu erschießen, statt sie zurückzulassen. Offiziere, die sich selbst töteten, weil sie die Verantwortung nicht mehr ertragen konnten. Soldaten, die wahnsinnig wurden, mitten im Schnee stehen blieben und schrien, bis sowjetische Kugeln sie zum Schweigen brachten.
Es ist wichtig zu betonen, dass diese Männer nicht Helden waren. Sie waren Teilnehmer an einem Angriffskrieg, der unfassbares Leid über die Völker der Sowjetunion gebracht hatte. Die Wehrmacht war an Kriegsverbrechen beteiligt, an der Ermordung von Zivilisten, an der Unterstützung des Holocaust.
Die Kesselschlacht von Cherkassi darf nicht romantisiert werden. Sie war eine Episode in einem verbrecherischen Krieg. Doch die individuellen Soldaten, eingekesselt und dem Tod ausgeliefert erlebten menschliches Leid. Und dieses Leid zu dokumentieren bedeutet nicht, den Krieg zu rechtfertigen.
Die Schlacht hatte auch Auswirkungen auf die weitere Entwicklung des Krieges. Die beiden vernichteten Armeekor hinterließen eine Lücke in der deutschen Front. Mannstein musste andere Einheiten verschieben, um die Linie zu stabilisieren. Dies schwächte wiederum andere Frontachnitte. Die sowjetische Offensive rollte weiter. Im März 1944 eroberte die rote Armee große Teile der Westukraine. Im April erreichte sie die Kapaten.
Die deutsche Heeresgruppe Süd zerfiel schrittweise. Hitler reagierte auf die Katastrophe von Cherkassi mit Wut und Schuldzuweisungen. Stein, einer der fähigsten Generale, wurde im März 1944 seines Kommandos enthoben. Offiziell aus gesundheitlichen Gründen.

Tatsächlich, weil er wiederholt Hitlers Befehle kritisiert und strategische Rückzüge gefordert hatte. Mit Mannsteins Entlassung verlor die Ostfront einen der letzten Männer, die noch eigenständig denken und operativ planen konnten. Die nachfolgenden Befehlshaber waren gehorsamer, aber weniger fähig. Für die rote Armee war Cherassi ein Beweis ihrer gewachsenen Stärke.
Die sowjetischen Offiziere hatten die Kunst der Kesselschlacht, die ihnen 1941 und 1942 so viele Niederlagen gebracht hatte, nun selbst gemeistert. In den kommenden Monaten würden sie diese Taktik wiederholt anwenden. In Weißrussland, im Baltikum, in Polen entstanden immer wieder Kessel, in denen deutsche Verbände vernichtet wurden. Cherassi war der Anfang einer Serie.
Die Aufarbeitung der Schlacht nach dem Krieg gestaltete sich schwierig. In der Bundesrepublik Deutschland erschienen in den 50er und 60er Jahren zahlreiche Erinnerungen ehemaliger Soldaten. Viele dieser Berichte sind emotional und subjektiv. Sie schildern das Erlebte aus der Perspektive des einfachen Soldaten, der kämpfte, litt und überlebte.
Diese Berichte sind wertvoll als Dokumente individueller Erfahrung, doch sie neigen dazu, die größeren Zusammenhänge auszublenden. Die Frage, warum diese Männer überhaupt in der Ukraine waren, warum sie einen Angriffskrieg führten, wird selten gestellt. In der DDR wurde die Schlacht von Cherassi als Beweis für die Überlegenheit der Roten Armee dargestellt.
Die sowjetische Geschichtsschreibung betonte die militärische Leistung, die strategische Planung, den heldenhaften Kampf der sowjetischen Soldaten. Die deutschen Verluste wurden als gerechte Strafe für den faschistischen Überfall interpretiert. Auch diese Darstellung ist einseitig, denn sie reduziert eine komplexe militärische Operation auf Propaganda.
Erst in jüngerer Zeit seit den 90er Jahren entstanden ausgewogenere historische Darstellungen. Forscher haben sowjetische Archive gesichtet, Erinnerungen von beiden Seiten verglichen, die militärischen Entscheidungen analysiert. Das Bild, das sich ergibt, ist differenzierter. Die Kesselschlacht von Cherkassi war weder ein heroisches deutsches Durchhalten, noch ein einfacher sowjetischer Triumph.
Sie war eine brutal geführte Operation, in der beide Seiten hohe Verluste erlitten, doch die deutsche Seite den kürzeren zog, weil sie strategisch bereits verloren hatte. Ein interessanter Aspekt ist die Rolle der Zivilbevölkerung. Die ukrainischen Dörfer im Kampfgebiet wurden zwischen den Fronten zerrieben. Häuser brannten, Zivilisten starben, wurden verschleppt oder flohen in die Wälder.
Die Wehrmacht hatte während der Besatzung Zwangsarbeit organisiert, Lebensmittel beschlagnahmt, Partisanen bekämpft und dabei oft Zivilisten ermordet. Nun kehrte die Front zurück und mit ihr Gewalt und Zerstörung. Die rote Armee wiederum verübte Racheakte an Zivilisten, die mit den Deutschen kollaboriert hatten oder dessen verdächtigt wurden. Die lokale Bevölkerung war Opfer beider Kriegsparteien.
Die Kesselschlacht von Cherassi steht exemplarisch für das letzte Kriegsjahr an der Ostfront. Einschließungen, verzweifelte Ausbrüche, hohe Verluste, chaotische Rückzüge. Die deutsche Wehrmacht kämpfte nicht mehr um Sieg, sondern um Verzögerung. Jeder gewonnene Tag sollte Zeit kaufen, Zeit für Wunderwaffen, Zeit für einen politischen Kompromiss, Zeit für irgendetwas, das die drohende Niederlage abwenden könnte.
Doch diese Zeit brachte nur mehr Tote, mehr Zerstörung, mehr Leid. Nach Cherkassi folgten weitere Katastrophen. Im Juni 1944 vernichtete die Operation Bagration die Heresgruppe Mitte in Weißrussland. 28 000 deutsche Soldaten fielen, 160 000 gerieten in Gefangenschaft. Im August brach die Heresgruppe Nordukraine zusammen. Im September erreichte die rote Armee die deutsche Reichsgrenze.
Im Januar 1945 begann die Offensive auf Berlin. Der Krieg war entschieden, doch er dauerte noch über ein Jahr und in diesem Jahr starben mehr Menschen als in jedem Jahr zuvor. Für die Überlebenden von Cherassi war der Krieg nicht vorbei. Viele wurden an andere Frontachte verlegt, kämpften weiter, bis sie fielen, verwundet wurden oder in Gefangenschaft gerieten.
Einige erlebten das Kriegsende in deutschen Lazaretten, andere in sowjetischen Gefangenenlagern. Die Heimkehr zog sich über Jahre. Manche kamen 1946 zurück, andere 1949, die letzten 1955. Viele kamen nie zurück. Die psychischen Folgen waren immens. Überlebende litt unter Albträumen, Schuldgefühlen, Depressionen.
In einer Gesellschaft, die das Kriegstrauma kollektiv verdrängte, fanden sie wenig Verständnis. Man erwartete, daß sie funktionierten, arbeiteten, Familien gründeten. Über das Erlebte sprach man nicht. Erst Jahrzehnte später im Alter begannen manche zu erzählen. Ihre Berichte sind wertvolle Dokumente, auch wenn sie subjektiv und fragmentarisch sind.
Die strategische Bedeutung der Kesselschlacht von Cherassi wird unterschiedlich bewertet. Manche Historiker sehen sie als Wendepunkt, nachdem die deutsche Ostfront nicht mehr zu halten war. Andere argumentieren, dass die Front bereits nach Kursk oder sogar nach Stalingrad strategisch verloren war und Cherassi nur ein weiteres Symptom des Zusammenbruchs darstellte. Wahrscheinlich ist die zweite Sichtweise zutreffender.
Cherassi beschleunigte den Zusammenbruch, aber verursachte ihn nicht. Interessant ist auch die militärgeschichtliche Rezeption. Westliche Militärakademien studierten die Schlacht als Beispiel für gescheiterte Kesseloperationen. Was kann man aus Cherkassi lernen? Erstens, exponierte Stellungen ohne ausreichende Reserven sind unhaltbar.
Zweitens, Luftversorgung ist kein Ersatz für Bodenverbindungen. Drittens, Ausbrüche müssen schnell und entschlossen erfolgen, nicht zögerlich und improvisiert. Viertens, politische Verbote taktischer Rückzüge führen zu militärischen Katastrophen. Diese Lehren sind trivial, doch sie wurden in Cherkassi blutig bezahlt.
Ein oft übersehener Aspekt ist die Rolle der Verbündeten. In den eingekesselten Verbänden kämpften auch rumänische, ungarische und kroatische Einheiten. Ihre Geschichte wird in den meisten Darstellungen kaum erwähnt. Viele dieser Soldaten hatten keine Wahl. Sie wurden von ihren autoritären Regimen in einen Krieg geschickt, den sie nicht wollten.
Ihre Verluste waren hoch, ihre Opfer werden kaum erinnert. Die Kesselschlacht von Cherkassi war nicht nur eine deutsche Tragödie, sondern eine europäische. Die Erinnerungskultur in Deutschland heute ist ambivalent. Einerseits wird das Leid der deutschen Soldaten anerkannt. Niemand bestreitet, dass diese Männer in Cherkassi grausames erlebt haben.
Andererseits ist klar, dass sie Teilnehmer an einem Vernichtungskrieg waren, der von Deutschland ausging. Diese Spannung aufzulösen ist schwierig. Man kann das individuelle Leid anerkennen, ohne den Krieg zu relativieren. Man kann die militärischen Ereignisse analysieren, ohne in Heldenverehrung zu verfallen. In der Ukraine selbst ist die Erinnerung an Cherassi Teil der nationalen Befreiungserzählung.
Die Schlacht markiert einen Punkt im langen Kampf gegen die deutsche Besatzung. Die Opfer der Zivilbevölkerung werden erinnert, die Zerstörungen dokumentiert. Gleichzeitig ist die sowjetische Rolle komplex. Denn die Sowjetunion selbst beging Verbrechen an der ukrainischen Bevölkerung, vor und nach dem deutschen Überfall.
Die historische Bewertung ist vielschichtig. Die Kesselschlacht von Cherassi bleibt ein dunkles Kapitel in einem dunklen Krieg. Sie zeigt die Brutalität militärischer Gewalt, das Versagen politischer und militärischer Führung, das Leid einfacher Soldaten. Sie zeigt auch, dass Krieg keine Lösung ist, sondern ein Abgrund, in den Nationen und Menschen stürzen. Die 30.
000 Toten und Vermissten von Chakassi starben für eine Sache, die bereits verloren war. Ihr Tod brachte nichts außer Trauer. Heute Jahrzehnte später erinnern Denkmähler und Museen an die Schlacht. In der Ukraine stehen Gedenksteine für die gefallenen sowjetischen Soldaten. In Deutschland erinnern wenige Orte an die Kesselschlacht. Es gibt keine großen Gedenkfeiern, keine nationalen Trauertage.
Die Erinnerung ist fragmentiert, individuell, oft vergessen. Vielleicht ist das angemessen für eine Schlacht, die nie hätte stattfinden dürfen. Die Geschichte der Kesselschlacht von Cherkassi lehrt uns mehres. Sie lehrt die militärische Sinnlosigkeit, Stellungen um jeden Preis zu halten. Sie lehrt die menschlichen Kosten politischer Hybris.
Sie lehrt, dass Krieg nicht glorreich ist, sondern chaotisch, grausam und zerstörerisch. Sie lehrt, dass individuelle Tapferkeit oder Leiden niemals einen verbrecherischen Krieg rechtfertigen können. Sie lehrt, dass Erinnerung wichtig ist, aber differenziert sein muss. In einer Zeit, in der Europa wieder von Krieg erschüttert wird, gewinnt die Geschichte der Kesselschlacht von Cherkassi traurige Aktualität. Die Region, in der damals gekämpft wurde, ist heute erneut Kriegsgebiet.
Die Lehren von 1944 sind nicht gelernt worden. Menschen sterben, Städte werden zerstört, Soldaten werden eingekesselt. Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich, wie ein Sprichwort sagt, und dieser Reim ist bitter. Die Kesselschlacht von Cherassi steht am Ende dieser Betrachtung nicht als heroische Episode, sondern als Mahnung.
Sie mahn vor den Kosten des Krieges, vor den Folgen politischer Verantwortungslosigkeit, vor der Instrumentalisierung von Soldaten für aussichtslose Zwecke. Die 60.000 Männer, die im Februar 1944 bei -20° um ihr Überleben kämpften, waren nicht Helden oder Schurken. Sie waren Menschen, gefangen in einer Situation, die andere geschaffen hatten. 30.000 von ihnen starben.
Ihre Namen sind größtenteils vergessen. Ihre Geschichte sollte es nicht sein. Vielen Dank fürs Zuschauen. Wenn Sie mehr unbekannte Kapitel der Geschichte entdecken möchten, abonnieren Sie unseren Kanal und lassen Sie uns in den Kommentaren wissen, worüber Sie als nächstes eine Dokumentation hören wollen, was Sie über diese dachten und falls Ihnen diese gefallen hat, lassen Sie einen Like da. M.