Die Schlacht um Tarawa im November 1943 gehört zu den blutigsten und lehrreichsten Kämpfen des Pazifikkrieges. Was auf einem winzigen Atoll im Zentralpazifik geschah, sollte die Zukunft amhibischer Kriegsführung für immer verändern. Diese dreitägige Schlacht wurde zu einem Wendepunkt, der die Art und Weise, wie amphibische Operationen geplant und durchgeführt wurden, revolutionierte.

Im Herbst 1943 hatten die Vereinigten Staaten die strategische Initiative im Pazifik übernommen. Nach den verheerenden Niederlagen von 1942 nach Pearl Harbor, den Philippinen und zahlreichen anderen Rückschlägen war die amerikanische Kriegsmaschinerie nun bereit für die Offensive. Die Produktion von Kriegsschiffen, Flugzeugen und Ausrüstung hatte ein beispielloses Niveau erreicht.
Die Operation Galvanik, die Eroberung der Gilbertinseln, war ein zentraler Bestandteil dieser neuen Strategie. Diese Operation sollte nicht nur territoriale Gewinne bringen, sondern auch die Moral der eigenen Truppen stärken und den Japanern zeigen, dass ihre Verteidigungslinien durchbrochen werden konnten. Das Ziel war klar definiert, die amerikanischen Streitkräfte sollten durch die japanischen Verteidigungslinien im Zentralpazifik brechen.
Diese Offensive würde japanische Truppen von anderen wichtigen Frontachnitten abziehen und den Weg für weitere Operationen in Richtung der Marianen und schließlich Japan selbst ebnen. Das Tarawa Atoll, Teil der Gilbert Inseln, wurde als strategisches Sprungbrett identifiziert. Von hier aus könnten amerikanische Bomber japanische Stellungen weiter westlich angreifen und die Versorgungslinien des Feindes unterbrechen.
Karava ist ein Atoll von bemerkenswerter geographischer Beschaffenheit. 15 kleine Inseln bilden eine dreieckige Formation mit einer Gesamtfläche von nur 20 Quadkm. Im Zentrum liegt eine Lagune, deren ruhiges Wasser einen natürlichen Hafen bildet. Korallenriffe umgeben große Teile des Atolls und bilden eine natürliche Barriere gegen Angreifer.
Diese geographischen Besonderheiten sollten für den kommenden Kampf von entscheidender Bedeutung sein. Die Korallenriffe, Millionen Jahre alt und von unzähligen Meeresorganismen geschaffen, würden sich als tödliche Hindernisse erweisen. Die Vorbereitung auf die Schlacht offenbarte gravierende Mängel in der amerikanischen Aufklärung.
Die Briten, die das Atoll vor dem Krieg verwaltet hatten, verfügten über unzureichende Informationen. Ihre Karten waren über 100 Jahre alt, erstellt in einer Zeit, als die Vermessungstechnik noch in ihren Kinderschuhen steckte. Aufzeichnungen über Gezeiten und Strömungen existierten nicht. Dies war eine fatale Wissenslücke, denn die Gezeiten würden über Leben und Tod tausender Soldaten entscheiden.
Die Luftaufklärung lieferte zwar einige Erkenntnisse über die japanischen Verteidigungsanlagen, doch die amerikanischen Planer mussten weitgehend im Dunkeln operieren. Fotografien aus der Luft zeigten befestigte Stellungen, aber die wahre Stärke und Tiefe der Verteidigung blieb verborgen.
Im Zentrum der japanischen Verteidigung stand die Insel Bezio. Dieses flache Eiland, nur 3 km lang und wenige 100 Meter breit, kontrollierte den einzigen Zugang zur Lagune. Hier befand sich der Hauptflugplatz der Japaner. Eine strategische Anlage von enormer Bedeutung. Hier konzentrierten sich die Verteidigungsanstrengungen mit einer Intensität, die selbsterfahrene Militärplaner überraschte.
Die japanische Garnison unter Konteradmiral Keji Shibasaki hatte Betio in eine formidable Festung verwandelt. Soldaten, darunter erfahrene Marine Infanteristen und Arbeitertruppen waren auf der Insel stationiert. 200 Artilleriegeschütze verschiedener Kaliber waren strategisch positioniert. Diese reichten von leichten Maschinengewehren bis zu schweren Küstengeschützen, die Schiffe auf große Entfernung bekämpfen konnten.
Die flache einheitliche Topografie der Insel bedeutete, dass praktisch jeder Meter Strand unter Beschuss genommen werden konnte. Es gab keine toten Winkel, keine sicheren Zonen. Jede Waffe war so platziert, dass sie sich mit anderen Überschnitt und gegenseitige Feuerzonen schuf. Die Strandverteidigungen waren mehrschichtig und durchdacht konstruiert.
Unmittelbar am Wasser erhoben sich Mauern aus Palmstämmen und Stacheldraht bis zu 2 m hoch. Diese ersten Hindernisse sollten angreifende Truppen aufhalten und sie zu leichten Zielen machen. Dahinter lagen Schützengräben und Maschinengewehrnester, verbunden durch ein Netzwerk von Kommunikationstunneln. Weiter im Inselinneren befanden sich befestigte Stellungen aus Korallen, Baumstämmen und Stahlbeton sorgfältig mit Sand getarnt.
Diese Bunker waren technische Meisterwerke, gebaut aus mehreren Schichten verschiedener Materialien, die sowohl Geschosse als auch Bombensplitter absorbierten. Die schwersten Geschütze waren in Bunkern installiert, die gegen Luftangriffe und Schiffsbeschuss weitgehend immun waren. Einige dieser Bunker hatten Betonwände von über einem Meter Dicke.
Admiral Shibasaki war von der Uneinnehmbarkeit seiner Position überzeugt. Er verkündete, dass eine Million Amerikaner über 100 Jahre bräuchten, um Tarawa zu erobern. Diese Pralerei sollte sich als fatal irrig erweisen, doch die japanische Verteidigung war zweifellos beeindruckend. Die Japaner hatten aus ihren früheren Niederlagen gelernt und waren entschlossen, jeden Zentimeter Boden mit ihrem Leben zu verteidigen.
Die amerikanische Seite bereitete sich mit einer neuartigen Lösung für das Problem der amphibischen Landung vor. Die sogenannten Amtrax, Amphibienfahrzeuge, die ursprünglich für den Nachschubtransport entwickelt worden waren, wurden für den Kampfeinsatz adaptiert. Man montierte Panzerplatten und Maschinengewehre an diese Fahrzeuge.
Insgesamt standen 125 dieser Fahrzeuge zur Verfügung. Die Entscheidung Amtracks einzusetzen basierte auf der Unsicherheit bezüglich der Wassertiefe über den Riffen. Herkömmliche Landungsboote würden möglicherweise nicht nahe genug an den Strand gelangen können. Diese Befürchtung sollte sich als völlig berechtigt erweisen.
Die zweite Marine Division unter Generalmajor Julian Smith sollte die Landung durchführen. Diese Division bestand aus etwa 18 000 Mann, gut ausgebildet und ausgerüstet. Die Männer waren zuversichtlich. Ihre Offiziere hatten ihnen versichert, dass die vorbereitenden Bombardements die japanische Verteidigung weitgehend neutralisieren würden.

Man sprach davon, dass nach den Bombardements kein lebendiges Wesen auf der Insel überleben würde. Diese Zuversicht sollte sich als tragisch unangebracht erweisen. In der Nacht zum 19. November begannen die Probleme. Starke Strömungen führten zu Chaos, als die Truppen auf ihre Landungsschiffe verlegt wurden. Boote trieben ab, Zeitpläne gerieten durcheinander.
Nächtliche Luftangriffe verfehlten ihre Ziele. Die Küstenbatterien blieben weitgehend intakt. Auf dem Kommandoschiff Maryland verursachten die Vibrationen der eigenen Geschütze einen Ausfall der Kommunikationsausrüstung. Die Koordination zwischen Marin und Luftangriffen wurde dadurch erheblich beeinträchtigt. Dies war mehr als nur ein technisches Problem.
Es war ein Vorbote des Chaos, das kommen sollte. Konteradmiral Harry Hill hatte berechnet, dass die Amtracks in 40 Minuten den Strand erreichen würden. Diese Schätzung erwies sich als zu optimistisch. Die Fahrzeuge waren langsamer als erwartet, beladen mit Soldaten und Ausrüstung. Als das Bombardement endete, um eigene Truppen nicht zu gefährden, befanden sich die ersten Wellen noch auf See, vollständig exponiert.
Die japanischen Geschütze, die das Bombardement größtenteils überstanden hatten, richteten sich nun auf die herannahenden Ziele. Um 9:50 Uhr am 20. November erreichten die ersten Truppen die Insel. Zunächst ohne Widerstand zu treffen, stürmten sie über den Strand zur Palmstammmauer. Doch das Bombardement war bereits 10 Minuten zuvor beendet worden.
Die japanischen Verteidiger hatten sich erholt und ihre Stellungen wieder besetzt. Als die Amerikaner die Verteidigungsanlagen erreichten, brach die Hölle los. Maschinengewehrfeuer peitschte über den Strand. Mörsergranaten explodierten. Artilleriegeschosse rissen Löcher in die amerikanischen Reihen. Die Korallenriffe erwiesen sich als verheerendes Hindernis.
In Entfernungen von 800 bis 1200 m vom Strand umgaben sie viele der Landungszonen. Das Wasser darüber war flacher als erwartet. Die Gezeiten hatten nicht die erwartete Höhe erreicht. Die meisten Amtracks blieben stecken. Ihre Ketten drehten sich hilflos auf dem harten Korallen. Die Soldaten mussten aussteigen und durch brusttiefen Wasser unter schwerem Feuer zum Strand warten.
Beladen mit 50 kg Ausrüstung kämpften sie gegen die Strömung. Manche verschwanden in Löchern im Riff und ertranken unter dem Gewicht ihrer Ausrüstung ihre Schreie unhörbar im Lärm der Schlacht. Die Verluste unter den Führungskräften waren katastrophal. Offiziere, Sergejanten und Bootsleute gingen voraus, wie es ihre Pflicht war.
Die meisten wurden getötet. Japanische Scharfschützen zielten gezielt auf Männer mit Rangabzeichen oder Funkgeräten. Einheiten verloren ihre Kommandeure in den ersten Minuten der Schlacht. Funkgeräte fielen aus durch Nest vom Salzwasser. Die Truppen wurden durch japanisches Feuer zerstreut und desorganisiert.
Männer, die ihre Offiziere verloren hatten, mussten eigene Entscheidungen treffen, improvisierten und kämpften weiter. Ein fundamentales Problem war der Mangel an ausreichenden Transportmitteln. Während die zweite Welle landete, zusammen mit den ersten Panzern mußten die Amtracks zur Flotte zurückkehren, um weitere Truppen zu holen.
Die zahlenmäßige Überlegenheit, auf die amerikanischen Planer gesetzt hatten, konnte nicht rechtzeitig zum Tragen kommen. Stunden vergingen, in denen die Truppen am Strand festsaßen, eingekeilt zwischen dem Meer und den japanischen Verteidigungsanlagen. Missverständnisse und mangelnde Kommunikation verschlimmerten die Situation dramatisch.
Das erste Bataillon verbrachte eine qualvolle Nacht auf seinem Landungsschiff, hin und her geworfen von den Wellen, bevor es am zweiten Tag landete. Seekranke und erschöpfte Männer mussten in die Schlacht. Anstatt einen entdeckten Tiefwasserkanal zu nutzen, mussten diese Männer erneut durch die Riffe unter Feuer warten.
Der Kanal war entdeckt worden, aber die Information erreichte nicht alle Einheiten. Trotz dieser gewaltigen Schwierigkeiten machten die Amerikaner allmählich Fortschritte. Ihre Hartnäckigkeit und ihr Mut begannen sich auszuzahlen. Luftangriffe schwächten die japanische Artillerie. Marinflugzeuge griffen identifizierte Bunker mit Bomben und Raketen an.
Das dritte Bataillon unter Major Michael Ryan konnte vorrücken und den westlichen Strand sowie die Küste gegenüber dem Pier sichern. Ryan, ein erfahrener Offizier, nutzte jede Deckung und führte seine Männer geschickt um die stärksten japanischen Stellungen herum. Am zweiten Abend landeten frische Truppen. Das sechste Marineregiment kam an Land und verstärkte die erschöpften Einheiten.
Gleichzeitig zerstörte ein Luftangriff auf der benachbarten Insel bei Riki ein japanisches Treibstofflager. Eine gewaltige Explosion erleuchtete den Nachthimmel. Dies ermöglichte die leichte Einnahme dieser Insel und schnitt den Japanern einen möglichen Rückzugsweg ab. Am dritten Tag begannen die Amerikaner eine koordinierte Offensive über die gesamte Insel.
Sie brachen aus den Brückenköpfen hervor, in denen die meisten von ihnen gefangen gewesen waren. Leichte Panzer erwiesen sich als ineffektiv gegen die massiven japanischen Bunker. Ihre Geschütze konnten die dicken Betonwände nicht durchdringen. Flammenwerfer und mittlere Schermenpanzer jedoch ermöglichten den Durchbruch.
Die Flammenwerfer, gefürchtete Waffen, zwangen die Japaner aus ihren Bunkern oder töteten sie in ihren Stellungen. Stellung um Stellung wurde erobert. Bis zum Ende des Tages waren die meisten verbliebenen japanischen Truppen im Ostteil von Bezio zusammengedrängt. In den folgenden Tagen wurden die letzten Widerstandsnester eliminiert.
Jeder Bunker musste einzeln angegriffen werden. Am 28. November wurde die Insel für gesichert erklärt. Von den 4690 japanischen Verteidigern überlebten nur 17. Sie wurden gefangen genommen. Der Rest war gefallen oder hatte Selbstmord begangen. Getreu dem japanischen Ehrenkodex, der die Kapitulation verbot. Die amerikanischen Verluste waren erschütternd.
gefallene und ein Verwundete in nur 76 Stunden auf einem Stück Land von kaum 3 Quadratkm. Als die Nachricht von diesen Verlusten die Heimatfront erreichte, löste sie einen Schock in der amerikanischen Öffentlichkeit aus. Zeitungen druckten Bilder von den Gefallenen. Familien trauerten.
Fragen wurden gestellt über den Preis des Sieges. Doch aus dieser blutigen Schlacht erwuchsen lebenswichtige Lehren. Die Organisation amphibischer Landungen wurde grundlegend überarbeitet. Die Bedeutung genaue Aufklärung wurde erkannt. Spezialisierte Unterwasserdemolitionsteams wurden geschaffen, um Hindernisse vor Landungen zu beseitigen.
Diese Teams würden bei zukünftigen Operationen eine entscheidende Rolle spielen. Die Kommunikationssysteme wurden verbessert, wasserdichte Funkgeräte entwickelt. Die Koordination zwischen verschiedenen Waffengattungen wurde perfektioniert. Neue Taktiken für den Kampf gegen befestigte Stellungen wurden entwickelt. Als der Dday in der Normandie kam, als die Landungen auf den Marianen, auf Peleliu, Ivojima und Okinawa stattfanden, waren diese Operationen ungleich effektiver.
Die Lehren von Tarawa, bezahlt mit dem Blut der zweiten Marinedivision, hatten tausende von Leben gerettet. Jede amphibische Operation profitierte von den Erfahrungen, die auf dem kleinen Atoll gesammelt wurden. Die Schlacht um Tarawa bleibt ein Mahnm für die Schrecken des Krieges und die Komplexität moderner amphibischer Kriegsführung.
Sie demonstriert die Bedeutung von Aufklärung, Vorbereitung und Anpassungsfähigkeit. Sie zeigt den Mut und die Opferbereitschaft jener Männer, die gegenüberwältigende Widerstände einen entscheidenden Sieg errangen. Das winzige Atoll im Pazifik, heute ein friedliches Stück Land, trägt die stummen Zeugnisse jener furchtbaren Tage.
Die Schlacht um Tarawa ist nicht vergessen. Sie bleibt eine der definierenden Episoden des Pazifikkrieges und ein wichtiger Wendepunkt in der Geschichte der amerikanischen Streitkräfte.