Der entfesselte Markt der Freizügigkeit: Die neue Messlatte für Frauen
Willkommen im Zeitalter, in dem der eigene Körper zur ultimativen Währung geworden ist. Die Plattform OnlyFans (OF) hat das Geschäftsmodell des digitalen Sex-Work revolutioniert und damit eine gesellschaftliche Normalisierung in Gang gesetzt, die das Fundament für junge Frauen weltweit erschüttert. Was als lukrativer Nebenverdienst beginnt – freizügige Fotos und Videos gegen Bezahlung – hat sich zu einer globalen Industrie entwickelt. Unglaubliche 4,1 Millionen Menschen ziehen sich mittlerweile für die Plattform aus. Einige wenige werden zu Millionären, kaufen sich Villen und zelebrieren ein Luxusleben. Doch die Schattenseiten sind düsterer: Traumata, Verurteilung durch die Familie und in einigen Fällen sogar der Tod.
Ohne dass wir es bewusst wahrnehmen, setzt OF auf der ganzen Welt völlig neue Maßstäbe für weibliche Freizügigkeit. Die Plattform normalisiert, dass sich Frauen für Geld ausziehen. Ein OF-Account wird plötzlich als ein “völlig normaler Nebenjob” betrachtet – die Profisportlerin, die Fotos ihres durchtrainierten Körpers verkauft, anstatt Kellnern zu gehen, wird zum Beispiel für diese Win-Win-Situation gefeiert. Die Botschaft, die dadurch einer ganzen Generation vermittelt wird, ist erschreckend: Dein Körper ist dein Kapital. Du musst ihn wie ein Produkt sehen, das optimiert, verpackt und verkauft werden kann. Man könnte sogar so weit gehen, zu sagen, dass OF einen Trend daraus macht, sich selbst zu prostituieren.
Die Illusion der Selbstbestimmung bricht
Das Versprechen von OF ist die Selbstverwirklichung und Freiheit. Doch die Realität ist, dass nur diejenigen auf der Plattform erfolgreich sind, die besonders bekannt sind oder herausstechen. Hier beginnt das erste große Problem der Entmenschlichung: Frauen fühlen sich gezwungen, mit der Konkurrenz mitzuziehen, um die “große Kohle” zu machen.
Das Streben nach Aufmerksamkeit – der härtesten Währung auf der Plattform – führt zu extremen Entscheidungen: Die Frauen werden immer freizügiger, inszenieren sich künstlicher und greifen zu immer mehr Schönheitsoperationen. Der eigene Körper wird zum Versuchsobjekt für Experimente. Die Brasilianerin Elisa Sanchez beispielsweise ließ sich für unglaubliche 19.000 Euro eine Intimoperation durchführen, um ihre vermeintliche “Jungfräulichkeit” wiederherzustellen – nur um den Nutzern der Plattform etwas “Besonderes” zu bieten.
Die eigentliche Frage ist, wer in dieser Dynamik wirklich die Kontrolle hat: die Frauen oder die Männer, die durch ihre Nachfrage den Markt und die Anforderungen diktieren? Die Kritiker sehen die Antwort klar: Die Kontrolle liegt oft bei den Nutzern und der Marktdynamik, die zur Objektivierung zwingt, nicht bei der Verkäuferin.
Erpressung, Ausbeutung und organisierte Kriminalität
Die Schattenseiten der Plattform offenbaren sich in immer schockierenderen Fällen, die eindeutig zeigen, dass die Kontrolle häufig bei den Männern liegt und dies schlimme Folgen haben kann. Oft werden Creatorinnen von Nutzern aufgefordert, ihnen noch mehr exklusive Bilder mit speziellen Wünschen zu schicken. Dafür werden hohe Summen geboten, die viele Frauen aus finanzieller Abhängigkeit heraus kaum ablehnen können, selbst wenn sie sich unwohl fühlen.
Doch es geht weiter: Der 30-jährige Sean Mockler in Großbritannien erpresste beispielsweise OF-Models, indem er drohte, ihre intimen Bilder zu veröffentlichen, wenn sie ihm nicht weiteres Material zusendeten. Das ist psychologische Nötigung in ihrer reinsten Form.
Am schlimmsten trifft es die Frauen, die in die Fänge organisierter Kriminalität geraten. Der Influencer Andrew Tate, der Frauen mit falschen Versprechungen nach Rumänien lockte, zwang sie dort, explizite Inhalte für OF zu produzieren. Die Frauen wurden isoliert, kontrolliert und finanziell ausgebeutet – eine moderne Form der Zuhälterei. Mittlerweile gibt es regelrechte Agenturen, die junge Frauen rekrutieren, Fotos und Videos für OF erstellen und die vollständige Kontrolle über die Accounts übernehmen. Die Frauen erhalten dabei nur einen Bruchteil der Einnahmen. Die schöne Fassade der “Selbstständigkeit” verbirgt oft pure Abhängigkeit und Ausbeutung.
Die tödliche Schattenseite der Klicks
Die Gefahr auf der Plattform geht weit über finanzielle und psychologische Ausbeutung hinaus. Der Name OnlyFans impliziert, die Inhalte seien nur für “Fans” gedacht. Doch in Wahrheit tummeln sich dort Straftäter, Stalker und Pädophile. Die britische Creatorin Abby Furnace wurde über drei Jahre hinweg von einem ihrer Abonnenten gestalkt, der unangekündigt bei ihren Eltern auftauchte und ihr bis nach Ibiza folgte. Die Angst zwang sie beinahe zur Auswanderung.
Noch erschreckender sind die Fälle, in denen körperliche Gewalt oder der Tod ins Spiel kommen:
- Gewalt: Die Ukrainerin Maria Kowalschuk verschwand nach einer Hotelparty in Dubai mit zwei Männern und wurde zehn Tage später schwer verletzt am Straßenrand aufgefunden – mit gebrochenem Rückgrat und Gliedmaßen. Sie überlebte nur knapp.
- Tod durch Unachtsamkeit/Fetisch: Die US-Creatorin Mikaela R. wurde von einem 56-jährigen Abonnenten dafür bezahlt, ihn vollständig in Frischhaltefolie und Klebeband einzuwickeln. Obwohl er dies explizit gewünscht hatte, zog Mikaela ihm zusätzlich eine Plastiktüte über den Kopf und befestigte diese mit Klebeband – eine Tat, die zum unbemerkten Ersticken des Kunden führte. Sie wurde unfreiwillig zur Mörderin und musste für den Tod des Mannes zur Verantwortung gezogen werden, der ihr für das Treffen 11.000 Dollar gezahlt hatte.
- Tod durch Konkurrenz: Die brasilianische Creatorin Anna Paulie stürzte in Rio de Janeiro vom Balkon eines Apartements in die Tiefe, als sie für ihre Fans eine extrem riskante Szene drehte. Sie war auf der Jagd nach Aufmerksamkeit und bezahlte dafür mit ihrem Leben.
Der verzerrte Wert von Geld und Arbeit
Ein weiteres zerstörerisches Element von OF ist die Verzerrung des Verhältnisses zu Geld und Arbeit. Die Top-Creatorinnen erzielen in kürzester Zeit unverhältnismäßig hohe Einnahmen. Das deutsch-amerikanische Model Corin Kopf meldete beispielsweise innerhalb der ersten 48 Stunden Einnahmen von über einer Million US-Dollar. Solche achtstelligen Jahresgehälter sind für die erfolgreichsten keine Seltenheit.
Dieses Phänomen verzerrt nicht nur bei den Betroffenen, sondern bei allen jungen Frauen, die diese Summen sehen, die Wahrnehmung von normaler Arbeit extrem negativ. Warum sollte man studieren oder eine anstrengende Ausbildung absolvieren, wenn man mit ein paar freizügigen Fotos in zwei Tagen mehr verdienen kann als ein Facharbeiter in einem Jahr?
Doch die traurige Wahrheit ist: Auf jede erfolgreiche Creatorin, die sich ein Luxusleben aufgebaut hat, kommen Tausende, die kaum über den Mindestlohn hinauskommen. Wer nur “durchschnittlichen Content” liefert, fällt nicht auf. Um sichtbar zu werden, sehen sich viele gezwungen, immer härteren und expliziteren Content zu posten, was den Druck, die eigenen Grenzen zu überschreiten, ins Unermessliche steigert.
Das seelische Trauma und die unlöschbare Vergangenheit
Die psychologischen Kosten sind enorm. Lily Phillips aus England, die für einen Rekord innerhalb von 24 Stunden mit 100 verschiedenen Männern intime Akte filmte, weinte später in einem Interview. Sie fühlte sich leer, traumatisiert und sagte, sie habe während der Aktion nicht ganz bei sich selbst gewesen.
So wie Lily fühlen sich viele OF-Models. Sie berichten von Gefühlen der Leere, der Beschmutzung und des Traumas, obwohl sie sich ganz bewusst für die Plattform entschieden hatten. Das böse Erwachen kommt oft im Nachhinein: Ihnen wird klar, dass zukünftige Partner, Arbeitgeber oder – am schlimmsten – ihre eigenen Kinder eines Tages auf die Inhalte stoßen könnten. Das Internet vergisst nie.
Die ehemalige OF-Größe Jemma Lucy, die sechsstellige Beträge verdiente, würde heute alles zurückgeben, um ihrer Tochter nicht peinlich sein zu müssen. Sie gab zu, dass sie Inhalte postete, zu denen ihr Körper und Geist eigentlich “Nein” gesagt hatten, doch das Geld machte süchtig. Ihre Geschichte ist ein Mahnmal dafür, wie die Abhängigkeit vom schnellen Geld die eigenen Grenzen gnadenlos überwindet.
OnlyFans, so zeigt sich, hat einen zerstörerischen Einfluss auf eine ganze Generation junger Frauen. Was als Empowerment verkauft wird, ist häufig eine toxische Mischung aus Abhängigkeit, organisierter Ausbeutung und dem Verlust der eigenen Würde. Und für alle anderen jungen Mädchen, die nicht auf der Plattform sind, wird eine völlig falsche Realität vermittelt, in der der Wert einer Frau nur noch durch ihren monetarisierbaren Körper bestimmt wird.