Nur ein Jahr später, auf dem NATO-Gipfel in Bukarest 2008, kam es zum „schweren politischen Fehler“. George W. Bush, dessen Amtszeit von den Desastern des Irakkriegs und Guantanamo gezeichnet war, suchte ein positives außenpolitisches Erbe. Dieses sollte die NATO-Erweiterung um die Ukraine und Georgien sein, gegen alle Bedenken und Warnungen.
Bush preschte vor und verkündete: „Wir unterstützen den Mitgliedschafts-Aktionsplan für die Ukraine und Georgien entschieden.“ Diese Ansage, so die kritische Analyse der Experten, wirkte, als hätte Bush die Münchner Rede von 2007 „gar nicht mitgekriegt“. Wie ignorant könne man sein, wurde in der Sendung hinterfragt, die Zeichen so eindeutig zu missdeuten oder bewusst zu ignorieren, um ein persönliches Vermächtnis zu zementieren. Der damalige US-Präsident traf eine Entscheidung, die brandgefährlich war, ohne Rücksicht auf die langfristigen Konsequenzen und die legitimen Sicherheitsbedenken Russlands, die klar kommuniziert wurden.
Die ignorierten Experten: Warnungen aus dem Oval Office
Das Schockierendste an den Enthüllungen war die Tatsache, dass die Entscheidung in Washington nicht aus Unwissenheit getroffen wurde. Im Gegenteil: Die Russland- und Sicherheitsexperten der US-Administration warnten Bush und Vizepräsident Dick Cheney in stundenlangen Sitzungen im Oval Office.
Sie informierten den Präsidenten unmissverständlich darüber, dass die Ukraine für Putin nicht nur das nahe Ausland, sondern eine absolute „Rote Linie“ sei, die der Westen unter keinen Umständen überschreiten dürfe. Man war sich der Gefahr und der möglichen Dimension eines solchen Beschlusses bewusst. Doch Bush setzte seinen Willen durch. Er wollte „sein“ politisches Erbe so positiv wie möglich mit der NATO-Erweiterung verknüpft sehen.

Die damalige Kanzlerin Merkel stemmte sich zwar erfolgreich gegen die sofortige Vollmitgliedschaft beider Staaten. Doch der Kompromiss, der am Ende gefunden wurde, war ein verhängnisvolles halbherziges Signal: Die beiden Staaten wurde der Weg in die NATO zwar eröffnet, doch dieser sogenannte MAP-Prozess blieb „ohne jede Verbindlichkeit, in Wahrheit auch ohne jede Ernsthaftigkeit“.
Der Kompromiss, der die Konfrontation befeuerte
Dieser „verhängnisvolle Gipfel“ wurde zum schrecklichen Fehler, weil er die Ukraine und Georgien in eine gefährliche Lage brachte, da sie auf eine NATO-Mitgliedschaft hofften, die der Westen nicht ernsthaft zusichern konnte. Gleichzeitig hörte Wladimir Putin die klare Botschaft: Die NATO rückt weiter vor, die „rote Linie“ wird überschritten.
Der Kompromiss, der die Spaltung der NATO auf offener Bühne vermeiden sollte, hatte zur Folge, dass die Konfrontation mit Russland massiv befeuert wurde. Die USA und der Westen sendeten ein doppeldeutiges Signal aus, das Moskau als weiteren rücksichtslosen Vormarsch und als Missachtung seiner elementaren Sicherheitsinteressen interpretierte.
Fazit: Die Notwendigkeit eines erweiterten Diskurses
Die kritische Betrachtung der Vorgeschichte des Ukraine-Krieges, die nun in einer prominenten deutschen TV-Sendung Einzug gehalten hat, ist ein wichtiger und notwendiger Schritt. Sie zeigt, dass die Dinge in der Geopolitik komplexer sind, als es die einfache Erzählung des „ultimativen Bösen“ zulässt.
Wladimir Putin mag der Aggressor sein, doch die Handlungen des Westens – die Ignoranz der klaren Warnungen, die bewusste Überschreitung der „roten Linien“ und die rücksichtslose NATO-Osterweiterung – haben maßgeblich zur Eskalation beigetragen. Es ist eine Schande, dass diese kritischen und differenzierten Stimmen im deutschen Mainstream so selten zu hören sind. Nur durch eine kritische und umfassende Analyse der eigenen Fehler kann Deutschland und der Westen eine Strategie entwickeln, die künftige militärische Katastrophen verhindert. Die Ära der geopolitischen Arroganz muss einer neuen Ära der politischen Vernunft weichen, die auch die Sicherheitsbedenken der Gegenseite ernst nimmt.