Die Nacht, in der BMW beinahe starb: Wie der unwahrscheinlichste Kleinwagen die Automobil-Ikone in letzter Sekunde rettete

Revolutionäre Technik und überwältigender Erfolg

Die Technik vom 600er wurde übernommen, der Zweizylinder-Boxermotor leicht überarbeitet: Der Hubraum wurde um 100 Kubikzentimeter auf 697 Kubikzentimeter vergrößert, die Leistung betrug nun respektable 30 PS. Montiert im Heck, gebläsegekühlt. Die eigentliche Revolution lag jedoch in der Karosserie: Der BMW 700 war das erste BMW-Modell, das eine selbsttragende Monocoque-Karosserie besaß, anstelle des traditionellen Stahlrohrrahmens. Dies machte das Auto leicht (nur 630 kg) und ermöglichte eine Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h – er war schneller als mancher Konkurrent aus der Mittelklasse.

Aufgrund der akuten finanziellen Not wurde der BMW 700 im Juni 1959, vorzeitig und drei Monate vor der IAA, am Starnberger See präsentiert. Die offizielle Weltpremiere im September in Frankfurt löste dann eine wahre Kaufpanik aus. Die Fachpresse war begeistert, das Publikum überwältigt. Das Trapezdesign, das an teure Fiat- und Lancia-Modelle erinnerte, traf den Zeitgeist. Binnen kürzester Zeit gingen 25.000 Vorbestellungen ein. Die gesamte geplante Jahresproduktion war ausverkauft, noch bevor das erste Fahrzeug vom Band gerollt war. Der 700er kostete 4.760 Mark für die Limousine und war damit günstiger und vor allem sportlicher als ein vergleichbar ausgestatteter VW Käfer. Er war begehrenswert.

Der Showdown: Die fehlerhafte Bilanz als Waffe

Als die Hauptversammlung im Dezember 1959 stattfand, lag das Übernahmeangebot immer noch auf dem Tisch, von Vorstand und Aufsichtsrat empfohlen. Doch diesmal gab es Widerstand. Eine breite Front aus Kleinaktionären, Mitarbeitern, Betriebsräten und BMW-Händlern bildete sich. Der Frankfurter Rechtsanwalt Friedrich Math erhob sich und präsentierte eine akribische Analyse der Zahlen.

Math hatte einen entscheidenden, buchhalterischen Fehler gefunden, der das Unternehmen retten sollte: Die Entwicklungskosten des BMW 700 in Höhe von 12,5 Millionen Mark waren komplett in die Bilanz des Jahres 1958 eingeflossen. Diese Kosten hätten auf mehrere Jahre verteilt werden müssen. Die Bilanz war somit fehlerhaft. Math argumentierte zudem, dass der Wert der Marke BMW und der Belegschaft viel zu niedrig angesetzt worden sei. Mit nur zehn Prozent der Stimmen konnte Math die Bilanz anfechten. Die Versammlung musste vertagt werden, da die Zahlen nicht haltbar waren.

Das war die Rettung in letzter Sekunde. Das befristete Angebot von Daimler-Benz lief um Mitternacht aus und konnte nicht mehr verlängert werden. BMW blieb vorerst eigenständig.

Der Retter Herbert Quandt und die Geburt der „Freude am Fahren“

Obwohl die Übernahme abgewendet war, blieb die finanzielle Not bestehen. Doch der BMW 700 begann zu rollen und er verkaufte sich schnell und stetig. Im Jahr 1960 wies die BMW-Bilanz erstmals wieder schwarze Zahlen aus. Der 700er brachte nicht das große Geld, aber genug, um das Unternehmen am Leben zu halten.

Dann betrat der Industrielle Herbert Quandt aus Bad Homburg die Bühne. Er erkannte das Potenzial der Marke und handelte entschlossen. Quandt bot einen Kapitalschnitt an und übernahm alle neuen Aktien, die nicht verkauft wurden. Sein Kapitalanteil stieg auf 60 Prozent, wodurch der Einfluss der Banken schwand. Ein zusätzliches Darlehen von 20 Millionen Mark von MAN verschaffte BMW die notwendige „Luft“ für die Entwicklung eines dringend benötigten Mittelklassewagens – der legendären „Neuen Klasse“.

Der 700er entwickelte sich stetig weiter. Es folgten der sportliche 700 Sport (40 PS, 135 km/h) – liebevoll „Facharbeiter-Porsche“ genannt – die luxuriöse Ausführung und das von Karosseriebauer Bauer gefertigte exklusive Cabriolet. 1962 erschien der 700 LS, die um 16 cm verlängerte „Stretchversion“ für Familien. Auch im Motorsport brillierte der Kleinwagen: Hans Stuck Senior gewann 1960 im 700er die deutsche Bergmeisterschaft. Der 700 bewies, dass BMW auch im Kleinwagensegment modern, sportlich und erfolgreich sein konnte.

Der vergessene Held am Anfang der Ära

Zwischen 1959 und 1965 liefen fast 190.000 Einheiten des BMW 700 vom Band. Er war damit der erfolgreichste BMW aller Zeiten bis Mitte der 1960er Jahre und übertraf die Verkaufszahlen der Isetta und des 600ers bei Weitem. 1965 endete seine Produktion. Zu diesem Zeitpunkt hatte er seine Mission erfüllt.

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