Das Spiel der Geheimhaltung und die internationale Sorge
Während die wissenschaftlichen Fakten sich verdichteten, reagierte die russische Regierung lange Zeit mit Zurückhaltung. Offizielle Stellungnahmen sprachen von „übertriebenen Berichten“ und „kontrollierten Zuständen“. Die Befürchtung, die internationale Reputation des Landes im Hinblick auf Energieverträge und militärische Kooperationen zu beschädigen, schien Priorität zu haben.
Dieses Schweigen nährte das Misstrauen in der lokalen Bevölkerung. Fischer begannen, ihre Fänge zu prüfen, und in einigen Küstendörfern tauchten plötzlich unerklärliche Sperrzonen auf. Das Gefühl, dass die Wahrheit hinter dicken Türen verborgen blieb, machte die Menschen aktiv. Als junge russische Wissenschaftler heimlich die Ergebnisse ihrer eigenen Untersuchungen – inklusive Satellitenbildern und Messdiagrammen – veröffentlichten, geriet die Regierung unter enormen Druck.
Die Nähe Wladiwostoks zu China, Japan und Korea machte das Thema schnell zu einer internationalen Angelegenheit. Japan und Norwegen, die bereits Erfahrungen mit Abrüstungsprojekten in der Arktis gesammelt hatten, boten technische und finanzielle Hilfe an. Doch Russland reagierte zögerlich; die Frage der nationalen Souveränität spielte eine Rolle. Das Problem wurde dadurch nur noch größer: Manche Wracks waren nicht einmal in den Marineakten registriert. Ganze Reaktorkammern waren schlicht „vergessen“ worden – ein bürokratisches Loch mit tödlichen Konsequenzen.
Der Wettlauf gegen die Zeit: Was jetzt getan werden muss
Die Entsorgung dieser nuklearen Altlast ist eine Jahrhundertaufgabe. Ein einzelnes U-Boot zu zerlegen, kann über ein Jahr dauern, während Hunderte weitere warten. Die internationale Hilfe durch das Cooperative Threat Reduction Program in den späten 90ern war zwar ein Anfang, doch es blieben Lücken. Viele Reaktoren wurden auf offenen Feldern gelagert, was eine Zwischenlösung darstellt, die nun Jahrzehnte überdauert.
Der entscheidende Faktor ist die Zeit. Meerwasser, Druck und Temperaturschwankungen beschleunigen die Korrosion. Ein norwegischer Ingenieur warnte: „Was heute noch ein Stahlkörper ist, kann in 20 Jahren nur noch Schlamm und radioaktives Wasser sein.“ Die Schiffe „sterben langsam, aber sie sterben nicht leise.“
Die wissenschaftliche und moralische Forderung ist daher klar:
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Vollständige Entladung: Jede Reaktorkammer, die noch Brennelemente enthält, muss ungeachtet von Kosten oder Aufwand vollständig entladen werden.
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Sichere Lagerung: Alle radioaktiven Komponenten müssen in sichere, dauerhafte Lagerstätten gebracht werden, fern von Küsten und Siedlungen.
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Transparenz und Überwachung: Die Überwachung darf nicht in den Händen einer einzigen Behörde liegen. Nur internationale Kontrolle und Transparenz können das Vertrauen wiederherstellen.
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Internationale Kooperation: Die Zusammenarbeit ist keine Gnade, sondern eine Notwendigkeit, da das Meer keine Flaggen kennt.
Was in Wladiwostok beginnt, endet nicht an der russischen Grenze. Solange die Welt über Kriege und Machtverhältnisse spricht, rostet die Geschichte weiter. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, in dem jede Verzögerung das Risiko vervielfacht. Der U-Boot-Friedhof ist die stille Erinnerung daran, dass der Kalte Krieg zwar politisch beendet wurde, aber sein gefährliches Echo unter den Wellen des Pazifiks noch lange nachklingen wird, bis wir uns endlich entscheiden, wie dieses Kapitel enden soll.