
Wenn Gott uns prüft, dann hat er mich verloren. Ich bete nicht mehr zu ihm. Ich bete nur noch zu deinem Gesicht, das in meiner Erinnerung brennt. Leb wohl, mein Herz und wenn du kannst, vergib mir. Sopie ließ den Brief sinken. Minutenlang starrte sie ins Leere, dann nahm sie das Papier an ihre Brust. Ihr Atem ging stoßweise, ein Laut, halb Schluchzen, halb Gebet, entwich ihren Lippen.
Sie wustte nicht, wie lange sie so saß, aber als sie aufblickte, stand Anna in der Tür. “Von wem ist der Brief?”, fragte sie. Sophie erschrak, versteckte das Papier unter der Schürze. Nur nur ein Bekannter aus München. Anna sah sie lange an, die Stirn leicht gerunzelt, aber sie sagte nichts. Sie war klug genug, nicht weiterzufragen. Als es Abend wurde und der Regen aufhörte, ging Sophie hinaus.
Sie trat in den feuchten Garten, den Brief fest in der Hand. Das Gras war nass und aus den Feldern stieg Dunst auf. Am alten Birnbaum blieb sie stehen, blickte in den Himmel. Lukas flüsterte sie, warum schreibst du mir, wenn du weißt, dass es mich zerstört? Sie dachte daran, wie sie früher gelacht hatten, heimlich, frei im Sonnenlicht, wie sie geglaubt hatten, Liebe könne stärker sein als alles andere.
Jetzt wusste sie, Liebe war ein Feuer, das nicht wärmte, sondern verbrannte. Später, als sie ins Haus zurückkehrte, fand sie ihren Vater am Tisch, die Bibel vor sich, die Finger über die Seiten gelegt, aber die Augen leer. “Was ist das?”, fragte er plötzlich. “Ein Brief?”, antwortete sie tonlos von ihm. Sie schwieg. Johann schlug mit der Faust auf den Tisch.
“Hat er dir nicht genug genommen? Will er dich ganz zugrunde richten?” Er wollte sich verabschieden, sagte sie leise. “Dann soll er sich von Gott verabschieden”, schrie Johann, “denn von uns ist er längst verflucht.” Sopie trat zurück, als hätte er sie geschlagen. Dann nahm sie den Brief, ging in ihr Zimmer und schloss die Tür.
In der Nacht, als das Haus schlief, entzündete sie eine Kerze und schrieb zum ersten Mal seit Monaten zurück: “Mein lieber Lukas, ich habe deinen Brief erhalten und mein Herz hat geschrien. Du sagst, du betest zu mir, aber ich bin kein Engel. Ich bin nur eine Frau, die gesündigt hat und jeden Tag dafür zahlt. Ich kann dir nicht schreiben, wohin du gehen sollst.
Ich kann dich nicht retten, aber ich trage dich in mir, wie man eine Wunde trägt, die nicht heilt, aber ohne die man nicht mehr leben kann.” Sie legte den Brief in eine Schublade. Sie wußte, daß sie ihn nie abschicken würde, aber in jener Nacht schlief sie zum ersten Mal seit Wochen ohne Albträume. Der Winter legte sich schwer über Stt Georgen. Der Schnee bedeckte die Felder, als wolle er die Sünden der Welt unter einer weißen Decke verbergen. Doch im Dorf blieb nichts wirklich verborgen.
Ein Postbote, der zu viel trank, ein neugieriges Auge in der Schenke, ein Name, der zu oft in den Papieren auftauchte. Bald wussten alle, dass ein Brief aus dem Ausland an Sophie Münzer gekommen war. Es dauerte keine Woche, bis die Gerüchte wieder auflammten.
“Er schreibt ihr wieder”, flüsterte die Bäckerin in der Schlange beim Milchladen. “Er ist nicht tot, dieser Bursche, und sie wartet noch immer auf ihn. Man sagt, sie betet nicht mehr in der Kirche, sondern für ihn, für ihn, für einen Teufel. Die Worte wurden zu Dolchen, die Sophie in jeder Begegnung spürte. Kinder tuschelten, Männer lachten leise, Frauen zogen die Röcke beiseite, wenn sie vorbeiging.
Sogar der Pfarrer, der sonst Milde war, schaute sie beim Abendgebet an, als müsse er sich erinnern, dass auch Sünderinnen Seelen haben. Johann schwieg, doch sein Schweigen war schlimmer als jede Anschuldigung. Er hatte gesehen, wie Sophie den Brief erhielt. Er hatte ihr Zögern bemerkt, ihr stilles Zittern. Er wollte glauben, daß es nur ein Abschied war, ein letzter Rest vergangener Schmach.
Doch tief in seinem Herzen wußte er, daß sein Sohn, obwohl fort, noch immer in diesem Haus lebte, nicht als Mensch, sondern als Schatten, der die Wände verdunkelte. Eines Abends, als die Dunkelheit früh hereinfiel und das Haus nur vom Herdlicht erhält wurde, trat er in die Küche. Sophie saß am Tisch, die Hände um eine Tasse gelegt, unbeweglich. “Ich hab’s gehört”, sagte er leise.
“Die Leute reden wieder.” Sie sah nicht auf. “Sie werden immer reden.” “Ja”, murmelte er, “Solange sie leben und vielleicht auch danach.” Dann trat er näher. Ich will, daß du mir den Brief gibst.” Sie hob den Blick langsam, mit einer Müdigkeit, die älter wirkte als sie selbst. “Er gehört mir. Er ist Gift, Sophie”, sagte er. “Er hält dich in der Vergangenheit fest.
Du musst ihn vernichten. Wenn ich ihn verbrenne, verbrenne ich mich selbst”, antwortete sie. Johann zitterte, ballte die Fäuste. Dann soll’s so sein, aber nicht unter meinem Dach. Er griff nach der Tasse, stieß sie um. Der Tee ergoss sich über den Tisch und Sophie wich zurück. Vater, bitte.
Doch seine Stimme brach und er drehte sich weg. Ich habe dich verloren, Kind. Ich weiß nicht, wann es geschehen ist. Vielleicht in jener Nacht, vielleicht schon früher. In dieser Nacht konnte keiner im Haus schlafen. Der Wind peitschte gegen die Fenster und irgendwo im Wald heulte ein Hund. Sophie lag wach, den Brief an ihre Brust gedrückt.
Sie dachte an Lukas, irgendwo weit weg, vielleicht in einer Miene, vielleicht unter einem fremden Himmel. Und sie wußte, wenn er noch einmal schreiben würde, würde sie antworten, egal was es sie kostete. Ein paar Tage später kam der zweite Brief. Kein Poststempel, keine Marke, nur ein Name auf dem Umschlag, in derselben unruhigen Schrift. Sophie.
Sie öffnete ihn mit zitternden Händen. Ich bin zurück in Deutschland, nicht weit. Ich kann dich nicht vergessen. Wenn du willst, komm morgen Abend zur alten Kapelle am Waldrand. Kein Wort zu niemandem. Nur ein letztes Mal, bevor ich weitergehe. Das Papier fiel ihr aus der Hand. Sie spürte, wie ihr Herz raste und gleichzeitig wie etwas in ihr zerbrach.
die letzte Mauer zwischen Pflicht und Sehnsucht. Sie wußte, daß sie gehen würde. Sie wußte auch, daß sie dafür bezahlen würde. Am nächsten Abend, als die Dämmerung über das Tal fiel und der Schnee unter ihren Schritten knirschte, schlich sie sich aus dem Haus. Sie trug ein schwarzes Tuch, den Mantel ihrer Mutter. Hinter ihr blieb das Licht der Küche zurück, schwach und flackernd.
Der Wald lag still, nur der Wind flüsterte zwischen den Ästen. Vor der alten Kapelle stand Lukas, abgemagert, mit einem Bart, den sie kaum erkannte, aber dieselben grünen Augen, die sie einst in den Abgrund gezogen hatten. “Ich wusste, du kommst”, sagte er. Sie trat näher, die Tränen gefroren auf ihren Wangen.
“Warum bist du hier?” “Weil ich ohne dich nicht leben kann.” Sie wollte sprechen, doch er nahm ihre Hand, preßte sie an seine Brust. “Ein letztes Mal”, flüsterte er, “dann verschwinde ich für immer.” Sophie zitterte, der Schnee fiel leise, die Glocke in der Ferne schlug acht, und dann tat sie das, was sie geschworen hatte, nie wieder zu tun.
Sie legte die Arme um ihn und ließ das, was sie zerstören würde, geschehen. Der nächste Morgen begann still, doch das Schweigen war nicht Frieden, sondern Vorahnung. Der Schnee hatte die Spuren in der Nacht fast ausgelöscht. Fast. Doch im Dorf blieb kein Geheimnis lange verborgen. Ein Holzfäller, der früh durch den Wald gegangen war, hatte sie gesehen.
Zwei Gestalten vor der alten Kapelle, im Licht der Dämmerung, zu nah, zu vertraut. Er erzählte es seiner Frau, sie erzählte es ihrer Nachbarin und bevor die Sonne das Tal erreichte, wußte das halbe Dorf, daß Sophie Münzer sich mit ihrem Bruder getroffen hatte. Als Sophie nach Hause kam, war Johann bereits wach.
Er saß am Tisch, den Kopf in die Hände gestützt und als sie die Tür öffnete, sah er auf. Seine Augen waren blut unterlaufen und auf dem Tisch lag ein Brief. Der Brief. Ich habe ihn gefunden”, sagte er tonlos, “Unter deiner Matratze.” Sophie stand da, unfähig, ein Wort zu sagen. Der Schnee tropfte von ihrem Mantel, das Haar hing ihr ins Gesicht. “Warst du bei ihm?”, fragte Johann.
Seine Stimme war ruhig, zu ruhig. Sie wollte lügen, aber die Wahrheit stand in ihrem Blick, nackt und ungeschützt. Er schlug mit der Faust auf den Tisch, so heftig, daß der Becher fiel und zerbrach. Bist du von allen guten Geistern verlassen? Hast du denn gar keine Scham mehr? Ich liebe ihn, flüsterte sie.
Liebe? Seine Stimme überschlug sich. Nenn das nicht Liebe. Nenn es, was es ist. Verdammnis. Ich kann’s nicht ändern, Vater, rief sie und Tränen liefen über ihr Gesicht. Ich habe gebetet. Ich habe gefastet. Ich habe Gott angefleht, mir das Gefühl zu nehmen. Aber er hat geschwiegen. Er schweigt immer. Johann schwieg lange, dann stand er auf.
Dann schweigt jetzt auch dieses Haus. Du bist keine Tochter mehr unter meinem Dach. Er ging hinaus in den Schnee und schloss die Tür hinter sich. Sophie blieb stehen, die Hände an der Brust und das Schweigen im Haus dröhnte lauter als jedes Wort. Gegen Mittag kam die Nachricht. Zwei Männer aus dem Dorf standen vor der Tür, der Schmied, der Bäcker und hinter ihnen Frau Helen, deren Gesicht vor falscher Frömigkeit glänzte.
“Herr Münzer ist bei uns im Wir”, sagte der Schmied. “Er ist nicht wohl. Vielleicht sollten sie kommen.” Sophie ging mit, zitternd vor Kälte und Angst. Als sie das Wirtshaus betrat, verstummten die Gespräche. Alle starrten sie an mit einer Mischung aus Abscheu und Neugier. Johann saß am Tisch, ein Glas vor sich, leer.
Er sah sie an, sein Gesicht grau, die Augen rot. Sophie”, sagte er heiser. “Sie wissen es alles.” Frau Helene trat hervor, die Hände gefaltet, als wäre sie in der Kirche. “Es tut mir leid, Kind”, sagte sie mit falscher Milde, “aber Gott sieht alles und was im Dunkeln geschieht, muss ans Licht.” Sophie blickte sie an, und in ihrem Blick lag etwas, das selbst die alte Frau verstummen ließ.
Sie wissen nichts über Licht”, sagte sie leise. “Sie leben vom Schatten anderer. Aber das half nichts. Das Urteil des Dorfes war gesprochen. Noch am selben Abend begann die Hetze. Steine flogen gegen das Fenster. Jemand hatte mit Kreide Schande an die Tür geschrieben. Kinder riefen: “Hure des Bruders!” und Erwachsene schwiegen. Niemand kam mehr in den Laden. Niemand sprach sie an.
Johann ließ das Kreuz von der Wand nehmen, das seit Jahrzehnten über der Tür hing. “Ich kann nicht beten”, sagte er, “Nicht in diesem Haus.” Anna, die alles sah, schwieg, aber sie begann nachts zu weinen, leise, damit niemand es hörte. Eines Nachts ging Sophie hinaus, allein, barfuß im Schnee.
Sie ging zum Birnenbaum, der jetzt schwarz und kahl im Winterwind stand. Dort blieb sie stehen, hob das Gesicht zum Himmel. Wenn das Liebe ist, Herr, warum lässt du sie so schmerzen? Es kam keine Antwort, nur der Wind, der in ihrem Kleid zerrte. In der Ferne, jenseits des Waldes, saß Lukas in einer armseligen Hütte, den Kopf in die Hände gestützt.
Er spürte, daß etwas geschehen war, daß das Band, das sie verband, sich spannte bis zum Zerreißen. Er stand auf, nahm seinen Mantel und machte sich auf den Weg zurück ins Dorf, das ihn verstoßen hatte, zu der Frau, die ihn zugleich verdammt und erlöst hatte. Der Schnee fiel dichter, der Himmel war schwarz und irgendwo im Tal begann eine Kirchenglocke zu schlagen.
Es war eine Nacht ohne Sterne, die Dunkelheit so dicht, dass selbst der Schnee sie nicht erhellen konnte. Der Wind kam in Böhen über die Hügel, trug den Geruch von Rauch und Kälte und irgendwo in der Ferne läutete eine Glocke, eine Warnung, ein Om. Lukas Münzer kam zurück. Barfuß fast, der Mantel zerfetzt, das Gesicht vom Frost gezeichnet.
Drei Jahre war er fort gewesen und doch schien keine Zeit vergangen. In seinen Augen lag dasselbe Feuer, derselbe Abgrund, der ihn einst fortgetrieben hatte. Er ging den alten Weg hinauf, vorbei an den Feldern, die jetzt unter Schnee ruhten. Die Häuser des Dorfes lagen still, doch hinter manchem Fenster regte sich ein Schatten.
Eine Hand zog schnell die Gardine zu. Jeder hatte ihn erkannt und niemand würde wagen, ihn aufzuhalten. Der Name Münzer war zu einer Warnung geworden, und die Kinder, die ihn einst bewundert hatten, flüsterten jetzt. Er ist wieder da, der Sünder, der Bruder. Am Haus angekommen, blieb Lukas stehen.
Das Dach war eingefallen, die Scheune halb zerstört. In den Fenstern kein Licht, nur in der Stube glom schwach ein Schein. Er klopfte nicht, er trat ein. Sophie saß am Tisch in einem alten grauen Kleid. Vor ihr lag eine Bibel, geöffnet, aber unberührt. Als sie die Tür hörte, hob sie den Kopf. Und für einen Moment erstarrte alles.
Kein Atem, kein Laut, kein Herzschlag. Lukas flüsterte sie. Er trat näher, langsam, als bewege er sich durch Wasser. Ich konnte nicht länger fortbleiben. Sie stand auf, das Gesicht bleich wie der Schnee draußen. Du darfst nicht hier sein. Wenn Vater dich sieht, dann soll er mich sehen, sagte Lukas ruhig. Ich bin nicht mehr der, der gegangen ist.
Ich habe gearbeitet, gelitten, getötet, vielleicht mich selbst jeden Tag. Aber eins ist geblieben. Du. Sie begann zu zittern. Bitte geh. Nein, ich bin gekommen, um dich zu holen. In diesem Moment ging die Tür des Nebenzimmers auf. Johann stand dort, älter, schwächer, das Haar grau, die Hände von der Arbeit verformt. Doch in seinen Augen war dieselbe Härte. dieselbe Wut, die ihn nie verlassen hatte.
“Ich wußte, daß du wiederkommst”, sagte er. Seine Stimme war heiser, aber schneidend. Sünder kommen immer zurück an den Ort, wo sie gefallen sind. “Ich bin nicht gekommen, um zu kämpfen”, erwiderte Lukas. “Ich will sie nur sehen. Ein letztes Mal.” Johann trat vor zwischen ihn und Sophie. “Du siehst sie und dann verschwindest du für immer.
Nein. Lukas Stimme war ruhig, aber in ihr lag etwas gefährliches. Ich nehme sie mit. Es gibt nichts mehr hier, nur Asche. Johann lachte bitter. Asche? Ja. Deine Mutter liegt unter ihr. Dein Name hat sie in Schande gestürzt. Du hast dein Blut verraten, deinen Glauben, deine Familie.
“Ich habe nur geliebt”, schrie Lukas plötzlich. Ich habe geliebt, was mir der Himmel selbst gezeigt hat, und ihr habt daraus eine Sünde gemacht. Sophie schrie auf, als Johann einen Schritt nach vorne machte. Seine Hand packte Lukas am Kragen. Du wagst es unter meinem Dach so zu reden. Dein Dach, spiel Lukas, dein Dach hat sie fast begraben.
Sie rang, der Tisch stürzte, das Licht fiel, die Flamme der Lampe zischte und erlosch. Im Dunkeln hörte man nur Atem, das Knirschen von Holz, das dumpfe Aufprallen eines Körpers. Sophie schrie: “Vater Lukas, ein dumpfer Schlag, ein Stöhn, dann Stille.” Als die Flamme neu auflackerte, sah Sophie ihren Vater am Boden, das Gesicht zur Seite gedreht, das Blut sich dunkel auf den Dielen ausbreitend. Lukas stand über ihm, die Hände zitternd, der Atem keuchend.
Ich ich wollte nicht. Sophie kniete nieder, schrie, pres die Hände auf die Wunde. Vater, Vater, bitte. Johann öffnete noch einmal die Augen. Geh, flüsterte er, kaum hörbar. Geh. Beide weit weg. Dann sagte er zurück. Für einen Moment herrschte absolute Stille. Nur der Wind draußen heulte, als wüßte er, was geschehen war.
Sopie sa auf, Tränen und Blut auf ihren Händen. “Wir müssen fort”, flüsterte sie. Lukas stand wie versteinert. “Ich habe ihn getötet.” “Nein”, sagte sie. “Die Sünde war älter als wir.” Sie zogen ihn in die Kammer, deckten ihn mit einer Decke zu und Sophie schloss seine Augen. Dann verließ sie das Haus, ohne zurückzublicken. Lukas folgte ihr schweigend. Draußen fiel Schnee, dick.
und lautlos bedeckte ihre Spuren, noch bevor sie das Tal erreichten. Hinter ihnen blieb das Haus der Münzers, kalt, leer und im Innern ein toter Mann, der einst geglaubt hatte, die Sünde mit Zorn austreiben zu können. Sie gingen durch die Nacht ohne ein Wort. Der Schnee fiel dichter, bedeckte ihre Schultern, ihre Spuren, ihre Vergangenheit.
Über ihnen hing der Himmel schwarz und stumm, und nur der ferne Ruf einer Eule erinnerte daran, daß es noch Leben in dieser Welt gab. Als der Morgen graute, hatten sie die Berge erreicht. Ein kleiner verlassener Hof stand dort, halb eingestürzt, der Schornstein zerbrochen, das Dach löchrig. Dort fanden sie Zuflucht. Sophie zündete Feuer im Kamin, ihre Finger steif vor Kälte.
Lukas saß daneben, den Blick leer, die Hände blutig, keiner sprach, nur das Knistern des Feuers füllte den Raum. Nach Stunden endlich hob Sophie den Kopf. “Er wollte nicht, dass du stirbst”, sagte sie leise. “Er wollte nur Frieden.” Lukas antwortete nicht. “Ich habe ihn getötet, Sophie. Ich habe unser Blut verflucht.” “Nein”, flüsterte sie.
Das Dorf, die Menschen, ihre Worte. Sie haben uns getötet, lange bevor du es getan hast. Sie legte Holz nach, sah in die Flammen, als wollte sie darin das Ende finden. Ihr Gesicht war blass, aber ruhig. Lukas stand auf, trat Fenster. Unten im Tal glomm das ferne Licht des Dorfes. “Sie werden uns suchen”, sagte er.