Am Abend des 10. Mai 1941 startet einzelner Mann in einer Messerschmidt BF110 von Augsburg aus in Richtung Schottland. Er fliegt ohne Begleitschutz, ohne offizielle Genehmigung, mit einem selbstmörderischen Plan. Sein Name Rudolf Hess, Stellvertreter des Führers. Die Nummer 3 im nationalsozialistischen Deutschland.

Als er über britischem Boden aus der Maschine springt und mit dem Fallschirm landet, glaubt er, den Krieg beenden zu können. Stattdessen beginnt ein Gefängnis, das 46 Jahre dauern wird. Das längste Einzelhaftschicksal der modernen Geschichte. Rudolf Walter Richard H. wird am 26. April 1894 in Alexandria, Ägypten geboren. Sein Vater ist ein wohlhabender deutscher Kaufmann.
Die Familie gehört zur Kolonialelite. Die Kindheit in Ägypten prägt ihn. Hierarchie, Ordnung, Gehorsam. Mit 14 Jahren wird er nach Deutschland geschickt, ins Internat. Er ist introvertiert, unsicher, sucht nach Orientierung. Der Erste Weltkrieg gibt sie ihm. 1914 meldet er sich freiwillig, kämpft in Frankreich, wird verwundet, dient später in der Fliegertruppe.
Der Krieg formt ihn und die Niederlage Deutschlands zerstört ihn innerlich. Nach Kriegsende studiert Hess in München Volkswirtschaft, doch die Universität wird zum Näherboden seiner Radikalisierung. Er gerät in den Sog völkischer Ideologien, hört Vorlesungen bei Karl Haushofer, einem Geopolitiker, der von Lebensraum und Großmachtfantasien spricht.
1920 tritt Hess der NSDAP bei. Er ist einer der ersten, ein früher Gläubiger. Als er Adolf Hitler 1920 das erste Mal sprechen hört, ist es für ihn eine Offenbarung. Dieser Mann, denkt Hess, ist der Erlöser Deutschlands. Von diesem Tag an wird Hitler das Zentrum seines Lebens. Hess wird Hitlers Privatsekretär, sein Schatten, sein fanatischer Anhänger.
Als Hitler nach dem gescheiterten Putschversuch 1923 inhaftiert wird, lässt Hes sich freiwillig in Hitlers Nähe in Landsberg halten. Dort diktiert Hitler sein Buch Mein Kampf und Hess schreibt es nieder, Wort für Wort. Er ist nicht nur Sekretär, er ist jünger. Die Bindung zu Hitler ist für Hess religiös.
Er verehrt ihn nicht als Politiker, sondern als Messias. Nach der Machtübernahme 1933 wird Hess mit Ämtern überhäuft. Er wird Stellvertreter des Führers, Minister ohne Geschäftsbereich, Mitglied des Ministerrats für Reichsverteidigung. Doch seine Macht ist seltsam unscharf. Hess ist loyal, aber schwach. Er hat keine eigene Machtbasis, keine Intrigen, keine Grausamkeit.
In einem Regime, das auf Brutalität und Machtkämpfen gebaut ist, wirkt er deplatziert. Männer wie Göring, Göbbels, Himmler, sie sind Raubtiere. Hess ist ein treuer Hund. Und doch trägt er Verantwortung. Hess unterzeichnet die Nürnberger Rassegesetze. Er legitimiert die Verfolgung der Juden. Er ist an der Vorbereitung des Krieges beteiligt.
Seine Reden sind voller Hass, voller blinder Gefolgschaft. Er ist kein Täter im engeren Sinne. Er organisiert keine Massenmorde, leitet keine Lager. Aber er ist ein Ermöglicher. Sein Fanatismus, seine Unterschriften, seine Propaganda, sie ebnen den Weg in den Abgrund. Doch ab 1939 verliert Hess an Bedeutung.
Der Krieg hat begonnen und Hitler braucht keine Ideologen mehr, sondern Generäle und Technokraten. Hess wird an den Rand gedrängt, ignoriert, vergessen. Er spürt, dass er an Einfluss verliert und in seiner verzweifelten Loyalität reift ein warnwitziger Plan. Er wird nach England fliegen, er wird Frieden stiften.
Er wird Hitler retten und sich selbst zurück in dessen Gunst bringen. Am Abend des 10. Mai 1941 setzt er diesen Plan in die Tat um. Er fliegt nach Schottland, springt ab, wird von einem Bauern gefunden. Er verlangt den Herzog von Hamilton zu sprechen, einen Mann, den er einmal bei den olympischen Spielen getroffen hat. Hess glaubt, eine Friedensverhandlung anstoßen zu können.

Er glaubt, die Briten würden Hitler als Partner gegen die Sowjetunion akzeptieren. Es ist eine völlige Fehleinschätzung, ein Warngebilde. Die Briten verhaften ihn sofort. Er wird zum Gefangenen und zum Gespött. Hitler ist fassungslos, wütend, beschämt. Öffentlich erklärt er, Hess sei wahnsinnig geworden. Die NS Propaganda versucht verzweifelt, den Schaden zu begrenzen.
Hess wird aus allen Ämtern entfernt, sein Name aus der Geschichte des Regimes getilgt. Der Mann, der einer der ranghöchsten Männer des Regimes war, ist plötzlich niemand mehr. Und in Großbritannien beginnt für ihn ein Leben in Gefangenschaft, das niemals enden wird. Während des Krieges wird Hess in verschiedenen britischen Gefängnissen festgehalten.
Er ist depressiv, paranoid, spricht von Vergiftungsversuchen. Psychiater untersuchen ihn, aber kein eindeutiges Urteil wird gefällt. Ist er geisteskrank? Oder nur ein gescheiterter Fanatiker, der mit seiner Bedeutungslosigkeit nicht umgehen kann? Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo dazwischen. Endet der Krieg.
Die führenden Nazis werden vor Gericht gestellt. Hess wird nach Nürnberg gebracht, angeklagt als Hauptkriegsverbrecher. Während des Prozesses wirkt er abwesend, starrt ins Lehre, gibt vor, sich an nichts zu erinnern. Die Anklage lautet: Verschwörung zur Vorbereitung eines Angriffskrieges, Verbrechen gegen den Frieden.
Er wird nicht für den Holocaust angeklagt, dafür fehlen direkte Beweise seiner Beteiligung, aber seine Rolle als Stellvertreter, als Unterzeichner der Rassegesetze, als Propagandist, das reicht. Am. Oktober6 wird das Urteil verkündet. Lebenslange Haft. Hess zeigt keine Regung. Er wird nach Spandau gebracht. Ein Militärgefängnis in Westberlin, das von den vier Siegermächten gemeinsam verwaltet wird.
Dort wird er Häftling Nummer 7 und dort wird er bleiben. Jahrzehnt um Jahrzehnt. Inspandau werden die anderen Häftlinge nach und nach entlassen. 1966 ist Hess der letzte. Ein einzelner Mann in einem riesigen Gefängnis. Die Westmächte sind bereit, ihn freizulassen. Doch die Sowjetunion blockiert jede Gnadencheidung. Hess wird zum Symbol des kalten Krieges, zum politischen Spielball.
Er selbst weigert sich, Reue zu zeigen. Bis zum Schluss bleibt er loyal zu Hitler, zum Nationalsozialismus, zur Ideologie, die Millionen das Leben kostete. Am 17. August 1987, im Alter von 93 Jahren, wird Rudolf Hess Tod in seiner Zelle gefunden, offiziell Selbstmord durch Erhängen. Bis heute ranken sich Verschwörungstheorien um seinen Tod, doch die Beweise sprechen für Suizid.
Nach seundzig Jahren Haft nach einem Leben in Isolation, Bedeutungslosigkeit und Wahnsinn endet die Geschichte des Mannes, der einmal glaubte, Geschichte schreiben zu können. Rudolf Hes war kein Massenmörder wie Himmler, kein Propagandist wie Göbbels, kein skrupelloser Machtmensch wie Göring, aber er war ein Wegbereiter. seine fanatische Treue, seine Unterschriften, seine Reden.
Sie legitimierten ein System, das auf Vernichtung gebaut war. Er war ein Mitläufer mit Macht, ein Ideologe ohne Gewissen, ein Mann, der sich selbst für einen Helden hielt und doch nur ein Werkzeug des Bösen war. Sein langer Schatten erinnert daran, Schuld ist nicht nur die Tat, Schuld ist auch die Ermöglichung. Wenn dir diese Geschichte gefallen hat, unterstütze den Kanal mit einem Like.
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