Tödliches Versagen in der Luft: Wie Ermüdungsrisse in der Triebwerksaufhängung den Absturz der UPS MD-11 in Louisville verursachten

Tödliches Versagen in der Luft: Wie Ermüdungsrisse in der Triebwerksaufhängung den Absturz der UPS MD-11 in Louisville verursachten

MD-11 Crash in den USA | AeroNews


Article: Tödliches Versagen in der Luft: Wie Ermüdungsrisse in der Triebwerksaufhängung den Absturz der UPS MD-11 in Louisville verursachten

Der nächtliche Himmel über Louisville, Kentucky, wurde vor einigen Wochen von einem verheerenden Feuerball zerrissen. Der Absturz einer McDonald Douglas MD-11 Frachtmaschine des Logistikriesen UPS am 4. November, unmittelbar nach dem Start, forderte das Leben aller drei Piloten sowie unbeteiligter Personen am Boden. Was zunächst als eine weitere Tragödie in der Luftfahrtgeschichte schien, hat durch die Veröffentlichung des vorläufigen Untersuchungsberichts des National Transportation Safety Board (NTSB) eine schockierende und beunruhigende Dimension angenommen. Die Erkenntnisse deuten auf ein Versagen hin, das weit über einen simplen Triebwerksausfall hinausgeht und die gesamte Industrie zum Innehalten zwingt.

Die Tragödie von Louisville: Der schicksalhafte Start

Die MD-11 war vollgetankt und für einen Langstreckenflug nach Hawaii startklar. Der Moment des Unglücks ereignete sich nur wenige hundert Meter hinter der Startbahn. Videoaufnahmen von Augenzeugen und Dashcams, die das NTSB nun in Teilen veröffentlichte, zeigen eine erschreckende Sequenz: Während der Rotation – jenem kritischen Moment, in dem die Nase des Flugzeugs zum Abheben hochgezogen wird – löste sich das linke Triebwerk (Triebwerk Nummer 1) komplett von der Tragfläche. Dieser Totalverlust führte augenblicklich zu einem gewaltigen Feuer an der linken Tragfläche, das die Maschine in einen riesigen Feuerball verwandelte, bevor sie zu Boden stürzte.

Dieser Vorfall wirft die dringende Frage auf, warum ein hochmodernes, großes Verkehrsflugzeug bei einem vermeintlichen Triebwerksproblem derart katastrophal versagt.

Warum ein einfacher Triebwerksausfall nicht die Erklärung ist

In der Luftfahrt gilt ein eiserner Grundsatz: Jedes Verkehrsflugzeug, das für den kommerziellen Betrieb zugelassen wird, muss den Verlust eines Triebwerks beim Start verkraften können. Dies wird in akribischen Zertifizierungsflügen, wie sie auch für die MD-11 durchgeführt wurden, demonstriert. Diese Tests zeigen, dass selbst bei maximalem Abfluggewicht und kurz vor dem Abheben ein Triebwerksausfall mit voller Schubkraft auf der anderen Seite beherrschbar ist.

Die Aufnahmen dieser Testflüge verdeutlichen, dass das Flugzeug aufgrund des asymmetrischen Schubs stark zur Seite driftet. Um dies zu kompensieren, muss der fliegende Pilot mit vollem Seitenruderausschlag gegensteuern. Die MD-11 tut sich dabei schwer, doch der entscheidende Punkt bleibt: Zwei von drei Triebwerken reichen in jedem Fall aus, um das Flugzeug sicher in die Luft zu bringen und den Flug fortzusetzen.

Die Tatsache, dass die UPS-Maschine stattdessen Höhe und Fluggeschwindigkeit verlor, sich nicht abfing und abstürzte, führt zu einer unumstößlichen Schlussfolgerung: Es muss mehr schiefgelaufen sein als ein bloßer Triebwerksausfall.

Der verhängnisvolle Unterschied: Triebwerksverlust statt -ausfall

Der vorläufige Bericht bestätigt nun, dass es sich nicht um einen Ausfall handelte, sondern um einen physischen Verlust des Triebwerks, inklusive des dazugehörigen Pylons – jenes Verbindungsstücks zwischen Triebwerk und Tragfläche. Die echten Standbilder aus der Überwachungskamera zeigen, wie sich das linke Triebwerk während der Rotation vollständig löst, sich durch den immer noch erzeugten Schub über die Tragfläche dreht und beim mutmaßlichen Reißen der Treibstoffleitung das Inferno entfacht.

Dieser Unterschied ist fatal:

  1. Schadensausmaß: Der mechanische Abriss des Pylons richtet massiven strukturellen Schaden an der Tragfläche an, der weit über die Konsequenzen eines Triebwerksausfalls hinausgeht.

  2. Sekundärschaden am Triebwerk 2 (Hecktriebwerk): Der gewaltige Feuerball und die hochtoxische, verbrannte Luft, die dabei entstehen, stören mutmaßlich die Funktion des mittleren Triebwerks im Heck der Maschine. Triebwerke benötigen Sauerstoff für die Verbrennung. Die mit Verbrennungsprodukten gesättigte, sogenannte „schmutzige Luft“ enthält deutlich weniger Sauerstoff. Erklärungen von Experten legen nahe, dass die Zufuhr dieser Sauerstoff-armen Luft zu einem massiven Schubverlust oder gar zum Ausfall des mittleren Triebwerks hätte führen können.

Ein solches Szenario – Triebwerk 1 abgerissen, Triebwerk 2 durch Feuer und Rauch beeinträchtigt – würde schlüssig erklären, warum der Frachter nicht kontrollierbar blieb, sich nicht mehr in die Luft zwingen ließ und stattdessen unmittelbar nach dem Abheben abstürzte.

Die entscheidende Spur: Ermüdungsrisse im Pylon

Preview

Die eigentliche, erschreckende Erkenntnis lieferten die ersten Laboruntersuchungen der geborgenen Trümmer. Die Experten des NTSB konzentrierten sich auf die Triebwerksaufhängung und fanden klare Hinweise auf Ermüdungsrisse und Spuren einer Überbeanspruchung an der hinteren Triebwerksaufhängung.

Die Verbindung zwischen Triebwerk und Tragfläche besteht aus zwei Hauptpunkten – einer vorderen und einer hinteren Aufhängung – sowie einem zusätzlichen Schublenker (Thrust Link), der die Schubkraft auf die Flugzeugzelle überträgt. Im Fokus steht die hintere Halterung, die auf Tragflächenseite aus einem Gabelkopf besteht, in den die Pylonhalterungen passen und durch einen Bolzen fixiert werden.

Die Untersuchung der abgerissenen Gegenstücke auf der Pylonseite zeigte auf beiden Seiten Ermüdungsrisse. Das Gegenstück an der vorderen Halterung wies ebenfalls Ermüdungsrisse auf der einen und Überlastungsspuren auf der anderen Seite auf. Für viele Beobachter ist damit die Unfallursache geklärt: Die hintere Verbindung hielt den Belastungen, aus welchen Gründen auch immer, nicht stand. Sie riss, der Rest war eine Kettenreaktion, die das Flugzeug unweigerlich zum Absturz brachte.

Die tödliche Falle: Warum das Pilotentraining versagte

Für die Crew im Cockpit muss es sich wie der schlimmste Albtraum angefühlt haben. Sie erhielten Warnmeldungen, höchstwahrscheinlich eine massive Feuerwarnung, und flogen das Flugzeug instinktiv nach den Hunderten von Notfalltrainings, die sie im Simulator absolviert hatten. Der Standardfall, der Triebwerksausfall beim Start, ist Routine.

Doch die Maschine reagierte nicht so, wie sie es kannten. Statt sich träge, aber sicher in die Luft zu erheben, verlor sie trotz vollem Schub an Höhe und Kontrolle. Die Piloten gerieten in eine Situation, auf die sie kein Training der Welt hätte vorbereiten können. Der strukturelle Verlust des Triebwerks und die damit verbundene sekundäre Beschädigung der Flugkontrolle und des mittleren Triebwerks schufen eine unlösbare technische Herausforderung. Sie verloren das Flugzeug und ihr Leben nur Sekunden nach dem Abheben, völlig chancenlos.

Es ist eine zutiefst tragische Erkenntnis, dass selbst die größte Professionalität und das intensivste Training gegen ein solches, unerwartetes Materialversagen machtlos sind.

Die lange Arbeit der NTSB und die Zukunft der MD-11

Während für die Öffentlichkeit die Ursache des Absturzes mit dem Fund der Ermüdungsrisse als geklärt erscheint, beginnt für das NTSB die eigentliche, aufwendige Arbeit erst jetzt. Spezialisierte Fachgruppen werden in den kommenden Monaten und Jahren sämtliche Details akribisch untersuchen:

  • Wann wurde das Triebwerk zuletzt von der Tragfläche demontiert und inspiziert?

  • Welche Wartungsfehler oder fehlerhaften Prozesse könnten zu dem Riss geführt haben?

  • Wie genau reagierten die Piloten auf ihre Instrumentenanzeigen?

  • Welche Belastungen haben die Triebwerksaufhängung genau in diesem Moment überschritten?

Die zentrale Frage lautet: Wie konnte die Triebwerksaufhängung, deren wichtigste Aufgabe es ist, nicht nachzugeben, genau dies im schlimmsten denkbaren Moment tun und damit die Maschine zu Fall bringen?

Die Ergebnisse dieser tiefgreifenden Untersuchung werden in ein bis zwei Jahren in einem finalen Abschlussbericht veröffentlicht. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sind entscheidend. Sie werden darüber bestimmen, ob die verbleibenden Frachtmaschinen des Typs MD-11 und der eng verwandten DC-10 weiter in der Luft bleiben dürfen oder ob die Flotte am Boden bleiben muss, bis entsprechende Sicherheitsmodifikationen durchgeführt wurden. Der tragische Absturz von Louisville ist somit nicht nur ein abgeschlossenes Unglück, sondern eine schmerzhafte und dringende Mahnung an die gesamte Luftfahrtsicherheitskette.

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