Warum Adolf Eichmann bis 1960 ungestraft leben konnte | WW2 Biografie

Am frühen Morgen des 2. Juni 1948 öffnet sich eine schwere Stahltür im Kriegsverbrechergefängnis Landsberg am Lech. Ein Mann in seinen Vierziger Jahren wird herausgeführt. Aufrechter Gang, kantiges Gesicht, keine Spur von Reue in seinen Augen. Dr. Karl Brandt, einst Hitlers persönlicher Begleitarzt und einer der mächtigsten Mediziner des Dritten Reiches, geht seinen letzten Weg.

In wenigen Minuten wird er am Galgen sterben, doch selbst jetzt, Sekunden vor dem Tod, wird er keine Schuld eingestehen. Stattdessen erhebt er die Stimme und nennt es sinngemäß einen Racheakt. Wie konnte ein Mann, der behauptete, später bei Albert Schweitzer in Afrika Leben retten zu wollen, zum Architekten eines Mordprogramms werden, das über 200.000 Menschen das Leben kostete?

Karl Franz Friedrich Brandt wird am 8. Januar 1904 im elsässischen Mühlhausen geboren, damals noch Teil des Deutschen Kaiserreichs. Sein Vater Karl Julius ist Offizier. Die Mutter Katharina stammt aus bürgerlichen Verhältnissen. Es ist eine strenge, disziplinierte Kindheit, geprägt von preußischen Werten, Pflichtbewusstsein, Gehorsam, Leistung.

Der junge Karl wächst in einer Welt auf, die bereits die Risse zeigt, die bald in den Ersten Weltkrieg führen werden. Als 1918 der Krieg endet und das Elsass an Frankreich fällt, muss die Familie fliehen. Sie ziehen nach Thüringen, später nach Dresden. Für den 14-jährigen Karl ist es ein prägendes Trauma: Die Niederlage, der Verlust der Heimat, die Demütigung. Es sind Erfahrungen, die viele junge Deutsche seiner Generation später anfällig machen werden für die Botschaften eines Adolf Hitler. 1923 legt Brandt in Dresden sein Abitur ab. Bereits ein Jahr zuvor hat er begonnen, Medizin zu studieren, zunächst an der Universität Jena.

In den folgenden Jahren wechselt er zwischen München, Berlin und Freiburg. Es ist in Freiburg, wo eine schicksalhafte Begegnung stattfindet, deren Tragweite niemand ahnt. Brandt besucht Vorlesungen bei dem Psychiater Alfred Hoche. Dieser hatte 1920 gemeinsam mit dem Juristen Karl Binding ein Buch veröffentlicht, das zum ideologischen Fundament des späteren Massenmordes werden sollte: „Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“. In diesem Werk wird argumentiert, dass es Menschen gäbe, deren Leben so schwer beschädigt sei, dass ihre Tötung ethisch vertretbar, ja sogar geboten sei. Brandt wurde vermutlich geprägt durch die Ideen Hoches. Die Überzeugung, dass manche Menschen lebensunwert seien und ihre Tötung ein Akt der Barmherzigkeit, wird ihn sein Leben lang nicht mehr verlassen.

1928 besteht er sein Staatsexamen mit guten Noten. Ein Jahr später promoviert er zum Doktor der Medizin. Seine Dissertation beschäftigt sich mit angeborenen Gallengangverschlüssen. Solide medizinische Arbeit, unspektakulär, aber kompetent. Brandt beginnt seine Facharzt-Ausbildung für Chirurgie am renommierten Bergmannsheilkrankenhaus in Bochum unter Professor Georg Magnus. Er ist ehrgeizig, fleißig, von seinen Kollegen geschätzt. Seine chirurgischen Fähigkeiten entwickeln sich gut, und er träumt, wie er später behaupten wird, von etwas Größerem: Einer Tätigkeit im Tropenkrankenhaus von Albert Schweitzer in Lambaréné, Französisch-Afrika. Der legendäre Arzt, Philosoph und Friedensnobelpreisträger verkörpert alles, was ein junger, idealistischer Mediziner bewundern kann: Medizinische Exzellenz im Dienste der Menschheit, fern von Karriere und Macht. Doch 1932 scheitert dieser Plan angeblich. Brandt behauptete später, er habe keine französische Staatsbürgerschaft besessen und keinen französischen Wehrdienst geleistet, weshalb die Behörden die Genehmigung verweigert hätten.

Ob diese Geschichte überhaupt stimmt, ist bis heute umstritten. Historisch belegt ist sie nur durch Brandts eigene Aussagen im späteren Nürnberger Prozess, wo sie seinem Verteidiger als Beweis für seine ursprünglich guten Absichten diente. Was jedoch absolut feststeht: Am 1. März 1932 trifft Karl Brandt eine andere, folgenreicher Entscheidung. Er tritt der NSDAP bei, Mitgliedsnummer 1.009.617.

Deutschland steckt in der tiefsten Wirtschaftskrise, die Weimarer Republik taumelt, und Millionen Deutsche suchen nach radikalen Lösungen. Brandt gehört zu ihnen. Das Jahr 1933 verändert alles. Hitler wird Reichskanzler, die Demokratie stirbt, und Brandt schließt sich der SA an.

Doch der entscheidende Moment kommt im Sommer 1933 durch einen simplen Autounfall auf einer Landstraße in Oberbayern. Hitlers Adjutant Wilhelm Brückner wird bei dem Unfall verletzt, und der junge Chirurg Brandt, der zufällig in der Nähe ist, behandelt ihn erfolgreich vor Ort. Brückner ist beeindruckt von der Kompetenz und dem ruhigen, souveränen Auftreten des Arztes. Er erwähnt den talentierten Mediziner gegenüber Hitler. Der Diktator, der krankhaft misstrauisch gegenüber Ärzten ist, lässt Brandt zu sich rufen. Das Treffen verläuft erstaunlich gut. Hitler ist angetan von Brandts Fachwissen, seiner Zurückhaltung, seiner preußischen Haltung. Am 14. Juni 1934 erhält Karl Brandt eine Ernennung, die sein Leben für immer verändern wird.

Er wird zum persönlichen chirurgischen Begleitarzt Adolf Hitlers ernannt. Für Brandt öffnen sich damit Türen zu einer Welt der Macht, die er sich nie hätte erträumen können. Er gehört nun zum innersten Kreis auf dem Berghof, Hitlers Alpenresidenz am Obersalzberg. Die Historikerin Heike Görtemaker wird diesen Zirkel später als Hitlers Hofstaat beschreiben: Ein seltsames Gemisch aus Macht, parano-surrealer Normalität. Brandt freundet sich mit Albert Speer an, dem Lieblingsarchitekten des Führers. Die beiden Familien verbringen gemeinsam Zeit. Ihre Kinder spielen zusammen. Im März 1934 heiratet Brandt Annie Rehborn, eine erfolgreiche Schwimmerin, die Hitler bereits seit 1925 kennt und der er vertraut. Im Oktober 1935 wird Sohn Karl Adolf geboren. Es ist ein Leben in privilegierter Nähe zur absoluten Macht. Ein Leben, in dem die Grenzen zwischen medizinischer Pflicht und politischer Komplizenschaft zunehmend verschwimmen. Brandts Karriere beschleunigt sich rasant. Er wechselt 1934 von der SA zur SS, der Eliteorganisation des Regimes.

Er wird zum Professor ernannt, steigt in der SS-Hierarchie auf. Doch mit der Nähe zur Macht kommt auch die Verstrickung in das Böse. Im November 1938 schickt Hitler seinen Begleitarzt nach Paris. Der deutsche Botschaftssekretär Ernst vom Rath ist von dem 17-jährigen jüdischen Flüchtling Herschel Grynszpan angeschossen worden. Brandt soll ihn behandeln, ihn retten. Doch vom Rath stirbt am 9. November, trotz aller Bemühungen. Brandts Bericht über den Tod liefert Hitler und Goebbels den willkommenen Vorwand für die Novemberpogrome. Jene Nacht des Terrors, in der im gesamten Reich Synagogen brennen, jüdische Geschäfte zerstört werden und der offene Völkermord seinen sichtbaren Anfang nimmt.

Dann kommt der Herbst 1939. Ein Brief erreicht die Kanzlei des Führers. Eine Familie aus Leipzig bittet um Erlaubnis, ihr schwer behindertes Kind töten zu lassen. Das Kind, das später nur als Kind Knauer in die Geschichtsbücher eingehen wird, ist blind, hat angeblich nur einen Arm und ein Bein. Der behandelnde Kinderarzt Werner Catel ist unsicher. Nach geltendem Recht ist Euthanasie Mord. Hitler ergreift die Gelegenheit. Er schickt Karl Brandt nach Leipzig, um den Fall zu untersuchen. Brandt reist hin, untersucht das Kind, bestätigt die Diagnose. Was dann geschieht, ist umstritten in den Details. Doch das Ergebnis steht fest. Das Kind stirbt, getötet mit Brandts Zustimmung, möglicherweise auf seine direkte Anweisung.

Es ist der Präzedenzfall, der alles ins Rollen bringt. Hitler beauftragt Brandt und den Reichsleiter Philipp Bouhler mit der systematischen Euthanasie, der Ermordung behinderter Menschen. Das Ermächtigungsschreiben, das Hitler unterzeichnet, wird auf den 1. September 1939 zurückdatiert, den Tag des Kriegsbeginns. Es ist kein offizielles Gesetz, sondern ein persönlicher Führerbefehl, ein Dokument des organisierten Massenmords, getarnt als Akt der Barmherzigkeit. Die Formulierung ist zynisch präzise. Brandt und Bouhler sollen Ärzten die Befugnis geben, unheilbar Kranken „nach kritischster Beurteilung ihres Krankheitszustandes den Gnadentod zu gewähren.“ Was als Gnadentod beschönigt wird, ist in Wahrheit ein industrielles Mordprogramm. Sechs Tötungsanstalten werden eingerichtet: Grafeneck in Baden-Württemberg, Brandenburg an der Havel, Hartheim bei Linz, Sonnenstein in Sachsen, Bernburg an der Saale und Hadamar in Hessen. In als Duschräumen getarnten Kellerräumen werden Menschen mit Kohlenmonoxid vergast. Brandt war zentral beteiligt an der Entwicklung dieser Methode. Die technische Umsetzung lag bei anderen T4-Planern.

Es sind geistig und körperlich behinderte Menschen, psychisch Kranke, Menschen, die als „lebensunwert“ klassifiziert werden. Die grauen Busse der Gemeinnützigen Krankentransport GmbH holen sie aus Heimen und Anstalten ab. Die Patienten ahnen oft nicht, was ihnen bevorsteht. Innerhalb weniger Stunden nach ihrer Ankunft sind sie tot. Die Angehörigen erhalten gefälschte Sterbeurkunden mit erfundenen Todesursachen: Lungenentzündung, Herzversagen, plötzlicher Schlaganfall. Bis August 1941 fallen der Aktion T4, benannt nach der Berliner Adresse Tiergartenstraße 4, wo die Zentrale sitzt, etwa 70.000 Menschen zum Opfer.

Dann ordnet Hitler offiziell den Stopp an. Der Münsteraner Bischof Clemens August Graf von Galen hat in einer mutigen Predigt die Morde öffentlich angeprangert. In Hadamar feierten die Mitarbeiter zynisch das zehntausendste Opfer. Die Bevölkerung in der Umgebung der Tötungsanstalten weiß längst, was dort geschieht: Der Rauch aus den Krematorien, die grauen Busse, die Gerüchte. Der öffentliche Druck wird zu groß.

Doch die Tötungen gehen weiter: Dezentraler, unauffälliger, brutaler. In der sogenannten wilden Euthanasie sterben weitere zehntausende Menschen. Sie werden nicht mehr vergast, sondern verhungern gelassen, erhalten tödliche Medikamenten-Injektionen, werden systematisch vernachlässigt. Mindestens 5000 Kinder werden in der separaten Kinder-Euthanasie in speziellen Kinderfachabteilungen ermordet. Die Gesamtzahl der Opfer der NS-Euthanasie wird heute auf 200.000 bis 300.000 Menschen geschätzt, und Karl Brandt trägt die oberste Verantwortung.

Doch er steigt weiter auf. Am 28. Juli 1942 wird er Bevollmächtigter für das Sanitäts- und Gesundheitswesen, eine der mächtigsten Positionen im medizinischen System des Reiches. 1943 folgt die Ernennung zum Generalkommissar, 1944 zum Reichskommissar. Er koordiniert das gesamte medizinische System, zivil wie militärisch. Unter seinem Namen läuft eine weitere Mordaktion, die Aktion Brandt. Patienten aus Heil- und Pflegeanstalten werden verlegt oder getötet, um Bettenkapazitäten für Lazarette und Ausweichkrankenhäuser zu schaffen. Kranke sterben, damit Soldaten behandelt werden können.

Brandt weiß von den Menschenversuchen in den Konzentrationslagern. Er weiß von den Unterdruckversuchen in Dachau, bei denen Häftlinge den simulierten Druckverhältnissen eines Fallschirmabsprungs aus über 20 km Höhe ausgesetzt werden. Viele sterben qualvoll. Er weiß von den Unterkühlungsversuchen, bei denen Menschen stundenlang in Eiswasser getaucht werden, um Wiederbelebungsmethoden zu testen. Er weiß von den Sulfonamid-Experimenten an polnischen Frauen in Ravensbrück, bei denen künstlich infizierte Wunden geschaffen werden. Er fördert die Malaria-Versuche aktiv und regt selbst Hepatitis-Experimente an. Im April 1944 erreicht Brandt seinen höchsten Rang: SS-Gruppenführer und Generalmajor der Waffen-SS.

Doch selbst im innersten Zirkel der Macht toben Intrigen. Brandt gerät in Konflikt mit Hitlers Leibarzt Theo Morell, dessen fragwürdige Behandlungsmethoden mit Hormonpräparaten und dubiosen Medikamenten er offen kritisiert. Martin Bormann, der mächtige Sekretär Hitlers, wird sein Feind. Im April 1945, als das Reich zusammenbricht, erfährt Hitler, dass Brandt seine Frau Annie und seinen Sohn nach Thüringen in Sicherheit gebracht hat, in ein Gebiet, das bald von den Amerikanern besetzt sein wird. Für den Diktator, der in seinem Berliner Bunker auf den Untergang wartet, ist das Verrat. Am 16. April 1945 lässt er Brandt verhaften und ordnet ein Standgericht mit Todesurteil an. Ausgerechnet Heinrich Himmler, selbst einer der größten Massenmörder der Geschichte, verzögert die Hinrichtung. Albert Speer, Brandts alter Freund, interveniert persönlich. Brandt überlebt.

Am 2. Mai 1945 wird er auf Befehl von Großadmiral Karl Dönitz, der Hitler nachfolgt, freigelassen. Am 23. Mai verhaften britische Truppen ihn zusammen mit der gesamten Regierung Dönitz in Flensburg. Was folgt, ist der Nürnberger Ärzteprozess, der erste der zwölf Nachfolgeprozesse nach dem Hauptkriegsverbrecherprozess.

Vom 9. Dezember 1946 bis zum 20. August 1947 müssen sich 23 Angeklagte vor dem amerikanischen Militärgerichtshof verantworten. Karl Brandt ist der Hauptangeklagte. Die Anklage lautet auf Verschwörung zur Begehung von Kriegsverbrechen, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung.

Sein Verteidiger Robert Servatius wählt eine ungewöhnliche, verstörende Strategie. Brandt beruft sich nicht auf Befehlsnotstand. Er leugnet die Taten nicht. Stattdessen verteidigt er die Euthanasie als moralisch richtig. „Ich habe vor mir selbst das tiefe Bewusstsein“, sagte er vor Gericht mit fester Stimme, „dass, als ich zur Euthanasie ja sagte, dies wie heute in der Überzeugung tat, es ist richtig.“ Er spricht von Erlösung, von Barmherzigkeit, von der Pflicht des Arztes. Auf die Frage nach den Menschenversuchen antwortet er kühl: „In dem Augenblick, indem die Person des Einzelmenschen aufgeht in dem Begriff des Kollektiven, wird dieser einzelne Mensch völlig benutzt im Interesse dieser Gemeinschaft. Im Grunde bedeutet das Einzelwesen nichts mehr.“

Es sind Worte, die das Wesen der NS-Medizin offenbaren. Eine Medizin, in der das Individuum nichts zählt, in der der Arzt zum Vollstrecker einer mörderischen Ideologie wird, in der Heilen und Töten ineinander übergehen. Das Gericht verurteilt Brandt am 20. August 1947 zum Tod durch den Strang. Die Urteilsbegründung ist eindeutig. Brandt hat die Euthanasie systematisch auf Mischlinge, Juden, unerwünschtes Volkstum und KZ-Häftlinge ausgedehnt. Er hat sich damit der Ausrottung fremder Staatsangehöriger schuldig gemacht. General Lucius D. Clay, der oberste US-Militärbefehlshaber in Deutschland, prüft die Gnadengesuche persönlich. Angesehene deutsche Wissenschaftler haben für Brandt unterschrieben, darunter der berühmte Chirurg Ferdinand Sauerbruch. Selbst die Heil- und Pflegeanstalten, deren Patienten zu Brandts Opfern gehörten, bitten um Gnade. Clay lehnt ab. Seine Begründung ist knapp und klar: „Wenn ich gegenüber Menschen, denen Folter und Tod angetan wurde, Gerechtigkeit üben will, dann kann ich in diesem Fall keine Gnade walten lassen.“

Am Morgen des 2. Juni 1948 um 1:11 Uhr betritt Karl Brandt den Hinrichtungsraum in Landsberg am Lech. Er ist ruhig, gefasst. Seine letzten Worte sind keine Worte der Reue, keine Bitte um Vergebung. Er attackiert die Sieger. „Das Urteil sei sinngemäß ein Racheakt“, sagt er. Er fragt rhetorisch, wie die Nation, die Hiroshima und Nagasaki zu verantworten habe, es wagen könne, andere zu verurteilen. Dann verstummt er, die Falltür öffnet sich, der Strick strafft sich.

Karl Brandt, der Arzt, der heilen sollte und zum Massenmörder wurde, ist tot. Er wurde 44 Jahre alt. Was bleibt von Karl Brandt? Die Erinnerung an einen Mann, der alle Möglichkeiten hatte – Intelligenz, Bildung, eine vielversprechende medizinische Karriere – und der sich dennoch entschied, zum Werkzeug des absoluten Bösen zu werden. Die Erinnerung an über 200.000 Menschen, die unter seiner Verantwortung ermordet wurden, weil jemand sie für „lebensunwert“ erklärte. Und als bleibendes Vermächtnis des Ärzteprozesses der Nürnberger Kodex: Zehn ethische Grundsätze für medizinische Forschung am Menschen, die sicherstellen sollen, dass sich ein solches Verbrechen niemals wiederholt.

Er beginnt mit dem wichtigsten Satz: „Die freiwillige Einwilligung der Versuchsperson ist unbedingt erforderlich.“ Karl Brandt starb im Bewusstsein, wie er selbst sagte, das Beste für die Menschheit gewollt zu haben. Es ist die endgültige Bankrotterklärung eines Mannes, der seinen moralischen Kompass vollständig verloren hatte.

Die Geschichte Karl Brandts ist keine Geschichte eines Monsters, das von Anfang an böse war. Es ist die Geschichte eines gebildeten, ehrgeizigen Menschen, der Schritt für Schritt alle ethischen Grenzen überschritt, geblendet von Macht, verführt von Ideologie, berauscht von der Nähe zum Diktator. Und genau darin liegt die erschütternde Warnung seiner Biographie. Das Böse kommt oft nicht mit einem Knall, sondern schleicht sich ein, ein Kompromiss nach dem anderen, eine Grenzüberschreitung nach der anderen, bis nichts mehr übrig ist von dem, was einmal ein Arzt sein wollte.

Related Posts

Our Privacy policy

https://worldnews24hr.com - © 2025 News