Februar 1946 Camp Concordia Kansas. Die Essenshalle war still, so still, dass man das Summen der Lampen hören konnte. 600 deutsche Kriegsgefangene saßen regungslos auf ihren Bänken. Die Zinschauen vor ihnen dampften, doch niemand saß. Draußen fegte der Wind über die weite Präerie, aber drinnen herrschte eine Spannung, die man greifen konnte.

Die amerikanischen Wachen wechselten nervös die Blicke. Sie wußten nicht, was sie tun sollten. Diese Männer rebellierten nicht gegen ihre Gefangenschaft, sie rebellierten gegen ihre bevorstehende Freiheit. Hans Schmidt, ein ehemaliger Soldat des Afrika Chor, der drei Jahre lang Seite an Seite mit Farmann in Kansas gearbeitet hatte, stand auf.
Sein Englisch war inzwischen fließend. Mit ruhiger, fester Stimme sagte er: “Wir werden nicht essen, bis man uns zusichert, daß wir nicht nach Deutschland zurückgeschicht werden.” In der Tür stand Colel Francis Howard, der Kommandant des Lagers. In seiner Hand hielt er ein Telegramm aus Washington, das ihn den ganzen Morgen nicht losgelassen hatte.
Darin stand der Befehl, alle deutschen Kriegsgefangenen gemäß der Genfer Konvention unverzüglich zu repatrieren. Er hatte geglaubt, diese Nachricht würde Jubel auslösen. Doch nun blickte er in Gesichter, die eher von Angst als von Erleichterung erzählten. Männer, die lieber hungern wollten, als in ihre Heimat zurückzukehren.
Diese Szene, fast vergessen, war der Beginn einer der seltsamsten Rebellionen der Geschichte, einer Rebellion gegen die Rückkehr in ein zerstörtes Vaterland. Um zu verstehen, warum deutsche Gefangene in amerikanischen Lagern bleiben wollten, muss man wissen, wie ihr Leben dort aussah. Als Leutnand weiter Quitzinger im Mai 1943 in Tunesien gefangen genommen wurde, hatte man ihm eingeschärft, dass Amerikaner grausam seien, dass gefangene gefoltert, verhungert oder erschossen würden.
Doch als er die Überfahrt überlebte und den Camp Herrne Texas ankam, traute er seinen Augen nicht. Amerikanische Wachen reichten den erschöpften Männern Coca-Cola einen Luxus, den viele seit Jahren nicht mehr gesehen hatten. Kritzinger schrieb später: “Wir hatten erwartet, wie Tiere behandelt zu werden.” Stattdessen gab man uns ein kaltes süßes Getränk, als wären wir Gäste.
Bis Ende 1945 hielten die Vereinigten Staaten über 425 000 deutsche Gefangene in mehr als 700 Lagern. Es war das größte Gefangenenprogramm in der Geschichte Amerikas. Die Versorgung war erstaunlich großzügig. 4000 Kalorien pro Tag mehr als viele amerikanische Zivilisten erhielten und doppelt so viel wie die Menschen in den zerbombten Städten Deutschlands.
Die Männer arbeiteten für 80 Cent pro Tag in Lagerwährung, konnten Bücher lesen, musizieren, Theater spielen. Einige Lager gründeten sogar eigene Orchester und Zeitungen. In Camp Trinidad, Colorado spielten 50 deutsche Musiker Beehofen und Mozart vor amerikanischem Publikum. Doch was die Gefangenen wirklich veränderte, war der Kontakt mit gewöhnlichen Amerikanern.
Weil viele Männer an der Front waren, wurden Kriegsgefangene in Farmen und Fabriken eingesetzt. Jeden Morgen holen Lastwagen sie ab, um auf den Feldern zu helfen. Dort an den Tischen der Farmer geschah das Unerwartete. Sie aßen gemeinsam, lernten Englisch, tauschten Geschichten aus. Deutsche Soldaten, die jahrelang Propaganda über die Dekadenten Amerikaner gehört hatten, sahen plötzlich eine Nation voller Freundlichkeit und Überfluss.
Bauern, die ihre Söhne im Krieg verloren hatten, sahen in den jungen Gefangenen keine Feinde mehr, sondern Menschen. Für viele Deutsche begann der Gedanke zu reifen, dass ihr Leben hinter Stacheldraht besser war als das, was sie in der Heimat erwartete. Sie hatten Arbeit, Sicherheit, Freundschaft und Hoffnung. Draußen in Europa lag ihr Land in Trummern.
Hier in Amerika fanden sie etwas, das Sie nie erwartet hätten. Menschlichkeit. Als 1945 die Nachricht vom Ende des Krieges durch die Lage halte, war die Stimmung unter den deutschen Gefangenen seltsam still. Manche jubelten, andere weinten, doch viele starrten einfach nur schweigend auf dem Boden. Für sie bedeutete das Ende des Krieges nicht Befreiung, sondern das Ende der Sicherheit, die sie in Amerika gefunden hatten.
Wochenlang hatten sie geredet, gerätselt, gehofft, aber als die ersten Transportlisten veröffentlicht wurden, breitete sich eine tiefe Angst aus. Die Rückkehr nach Deutschland war für viele kein Heimkommen, sondern ein Abstieg in ein unbekanntes, zerstörtes Land. Die Berichte aus Europa, die durch Briefe oder amerikanische Zeitungen zu ihnen drangen, zeichneten ein Bild des Grauens.
Städte lagen in Schutt und Asche, Hunger und Krankheit breiteten sich aus, Familien waren verschonen oder tot. Selbst wer überlebte, kämpfte ums nackte Überleben. Manche hörten, dass ihre Heimat in der sowjetischen Besatzungszone lag, ein Wort, das bei ihnen Panik auslöste. Geschichten über Lager, Vergeltung und willkürliche Verhaftungen machten die Runde.
Besonders für ehemalige Offiziere oder SS Mitglieder war die Angst real. Viele von ihnen wußten, daß sie dort kein faires Verfahren erwarten würde. In den amerikanischen Lagern hatte sich inzwischen etwas erstaunliches entwickelt, ein unausgesprochenes Band zwischen den Gefangenen und ihren Bewachern.
Soldaten, die einst erbittert gegeneinander gekämpft hatten, traten nun gemeinsam Kaffee, lachten, tauschten Fotos ihrer Familien. Cel Howard schrieb in seinem Tagebuch: “Sie sind keine Feinde mehr, nur Männer, die zu lange gekämpft haben. Als der Befehl kam, die Lager zu räumen, reagierten viele amerikanische Wachen mit schwerem Herzen.
Einige versuchten, die Transporte hinauszuzögern. Andere gaben den Gefangenen kleine Geschenke, Briefe, Bibeln, Uhren als Erinnerung an ein seltsames Kapitel des Krieges. Doch die Deutschen dachten an Flucht nicht, um frei zu werden, sondern um zu bleiben. Im Sommer 1946 versuchten Hunderte ihre Rückführung zu vermeiden.
Manche versteckten sich auf Farmen, andere baten Farmerfamilien sie als Arbeiter zu behalten. Es gab Fälle, in denen amerikanische Familien heimlich Briefe an die Behörden schrieben, um zu verhindern, dass ihre Deutschen deportiert wurden. Ein Farmer aus Oklahoma schrieb: “Dieser Junge hat mehr für mich getan als manche Amerikaner. Wenn er gehen muss, verliert unsere Familie einen Freund.
” In Washington verstand man die Tagweite dieses Phänomens kaum. Für die US-Regierung war die Repatrierung eine reine Formalität. Verträge mussten eingehalten, Lager aufgelöst werden. Doch in der Realität war das anders. In manchen Lagern legten hunderte Männer die Arbeit nieder, in anderen begannen Hungerstreiks. In Camp Concordia verweigerten über 500 Gefangene das Essen.
Als Reporter davon erfuhren, wurde die Geschichte kurzzeitig in amerikanischen Zeitungen erwähnt. Doch die Öffentlichkeit verstand kaum, warum diese Männer nicht heimkehren wollten. Für viele Gefangene war Amerika zu einem zweiten Zuhause geworden. Ein Ort, der sie an das erinnerte, was Deutschland einmal gewesen war, bevor der Krieg alles zerstörte.
Sie erlebten Fairness, Wohlstand und die Möglichkeit neu anzufangen. Manche sagten später, dass sie erst in Gefangenschaft begriffen hätten, was Freiheit wirklich bedeutet. Ein ehemaliger Unteroffizier erinnerte sich: “Wir kamen aus Soldaten her, aber wir wurden als Menschen behandelt.” Diese Erfahrung veränderte sie tiefgreifend.
Es ging nicht nur um gutes Essen oder warme Kleidung. Es war der Schock inmitten der Niederlage auf Menschlichkeit zu stoßen. Und als die Züge schließlich bereitstanden, um sie nach Europa zurückzubringen, verspürten viele nur eines: Angst. Nicht vor der Vergangenheit, sondern vor der Zukunft, die auf sie wartete. Als die ersten Transporter abfuhren, lag über den Lagern eine Stimmung, die niemand erwartet hatte.
Keine Jubelrufe, keine Lieder, keine Tränen der Freude, stattdessen Stille, Männer mit gesenktem Blick, ihre wenigen Habseligkeiten in Pappkaffern oder alten Säcken. Die amerikanischen Wachen salutierten viele unfähig, Worte zu finden. In den Zügen saßen die Gefangenen dicht gedrängt, doch niemand sprach. Der Blick aus den Fenstern zeigte die Felder, auf denen sie monatelang gearbeitet hatten, die Dörfer, in denen sie Freunde gefunden hatten und die Menschen, die ihnen zuwinkten, als wollten sie sagen: “Kommt zurück, wenn ihr könnt.” Für viele war
das Amerika, das sie nun verließen, zu einem Ort geworden, der mehr von Heimat besaß aus das Land, in das sie zurückkehren mussten. Die Überfahrt nach Europa war ein Schock. Die Schiffe, die sie einst in geordnete Lager gebracht hatten, fuhren nun in eine Welt der Trümmer. Als sie in den Are oder Bremen an Land gingen, bot sich ihnen ein Bild, das man kaum begreifen konnte.
Ganze Straßenzüge lagen in Asche. Kinder suchten in Ruinen nach Essen. Frauen standen sturm an den Bahnhöfen und suchten Gesichter, die sie nie wiederfinden würden. Die Männer, die aus Amerika kamen, sahen aus wie Fremde in ihrer eigenen Nation. Sie waren gesund, gut genährt, manche trugen saubere amerikanische Kleidung.
Doch ihre Heimat blickte sie an die wie Schatten aus einer anderen Zeit. Die Reaktionen der Zurückgebliebenen waren gemischt. Einige nannten sie Verräter oder Feiglinge, weil sie zu gut aus den Lagern zurückkamen. Andere sahen sie mit Misstrauen an, überzeugt, dass sie von den Amerikanern umgedreht worden waren. Ein ehemaliger Gefangener schrieb später: “Wir kehrten in ein Land zurück, das uns nicht wollte und verließen ein Land, das uns verstanden hatte.

Viele fanden keine Familie mehr, keine Arbeit, keine Zukunft. In den zerstörten Städten herrschte Hunger, Kaios und politischer Hass. Für Männer, die jahrelang in geordneten Lagern mit Bildung, Musik und Struktur gelebt hatten, war das Leben in der Nachkriegsrealität ein Albtraum. Einige suchten verzweifelt nach wegen, um wieder in die Vereinigten Staaten zurückzukehren.
Sie schrieben Briefe an amerikanische Farmer, an Kommandanten, an das rote Kreuz. Manche baten um Einreisea, andere versuchten über Kanada oder Lateinamerika zu gelangen. Nur wenigen gelang es wirklich, doch ihre Sehnsucht sprach: “Bände einer schrieb in einem Tagebuch: “Ich habe das Gefühl, mein Herz liegt irgendwo zwischen Kansas und Colorado, begraben unter amerikanischem Himmel.
Für die amerikanischen Behörden war diese Entwicklung unerwartet. Die Vorstellung, daß ehemalige Feinde lieber in den Vereinigten Staaten bleiben wollten, war politisch heikel. Zeitungen berichteten nur vereinzelt darüber. Doch in den kleinen Städten, wo die Lager gestanden hatten, erinnerten sich viele Amerikaner an ihre Deutschen. Sie erzählten von jungen Männern, die fleißig arbeiteten, nie Ärger machten und manchmal in der Kirche sangen.
Manche dieser Erinnerungen führten Jahre später zu Einladungen und sogar zu echten Rückkehrern. In den fi Jahren wanderten hunderte ehemalige Kriegsgefangene offiziell in die USA aus. Einige heirateten Amerikanerinnen, andere bauten Farmen auf. Doch für die Mehrheit blieb nur die Erinnerung. In einem zerstörten Land, das versuchte, sich neu zu erfinden, sprachen viele kaum über ihre Zeit in Amerika.
Es passte nicht zum Bild des besiegten Soldaten, dass man im Feindesland Menschlichkeit erfahren hatte. Und doch flüsterten sie sich nachtsgeschichten zu von grünen Feldern, freundlichen Wachen und dem Geschmack von kalter Cola unter der Sonne von Texas. In diesen Erinnerungen lebte ein stiller Traum weiter, der Traum von einem Ort, an dem selbstgefangene frei sein konnten.
Jahre vergingen, doch die Erinnerung an die Lager in Amerika blieb lebendig. In Westdeutschland, wo der Wiederaufbau langsam begann, erzählten ehemalige Gefangene ihren Kindern Geschichten, die wie Märchen klangen. Geschichten von amischen Wachen, die Zigaretten teilten, von Farmen, auf denen sie in der Sonne lachten und von Dörfern, in denen sie sich zum ersten Mal wieder wie Menschen gefühlt hatten. Viele hörten staunzu.
Es klang wie eine andere Welt, unvereinbar mit dem Hass, der den Krieg geprägt hatte. Doch für die Männer, die dort gewesen waren, war es keine Fiktion. Es war der einzige Ort, an dem sie im Krieg Frieden gefunden hatten. Die amerikanische Regierung hatte mit ihrer Behandlung der Gefangenen Ungewollt etwas erreicht, das kein Propagandafilm hätte schaffen können.
Während die Sowjetunion deutsche Kriegsgefangene in Arbeitslagern verhungern ließ, gaben die USA ihnen Bildung, Bücher und Würde. In vielen Lagern wurden Schulprogramme eingeführt, in denen Lehrer und Professoren unterrichteten, die selbst Kriegsgefangene waren. Mathematik, Sprachen, Philosophie, sogar Politik, all das wurde hinter Stacheldraht gelehrt.
In Camp Haston Louisiena gründeten deutsche Offiziere eine Universität im Lager, deren Abschluss später in Deutschland tatsächlich anerkannt wurde. Diese Bildung kombiniert mit den Begegnungen mit amerikanischen Zivilisten, pflanzte einen Gedanken in viele Köpfe. Demokratie konnte funktionieren. Einige der späteren westdeutschen Politiker, Lehrer und Unternehmer gehörten zu denen, die einst in amerikanischer Gefangenschaft saßen.
Sie hatten erlebt, dass man Freiheit nicht mit Gewalt erzwingen konnte, sondern mit Vertrauen und Fairness. Einer von ihnen schrieb Jahre später: “Wir kamen als Feinde, aber wir lernten dort, was Menschlichkeit bedeutet.” Gleichzeitig lebte in den USA die Erinnerung an die Deutschen in einer fast nostalgischen Form weiter.
Farmer erzählten nach Jahrzehnte später, wie ordentlich, höflich und fleißig ihre Gefangenen gewesen seien. In manchen Städten entstanden kleine Museen und in alten Fotoaren fand man Bilder von lachenden Männern in Uniformen, die bei der Ernte halfen oder in improvisierten Orchestern spielten. Einige dieser Freundschaften hielten ein Leben lang.
Briefe wurden über den Atlantik geschickt. Kleine Pakete mit Fotos, Schokolade oder Kaffee. Zwei ehemalige Gegner durch den Krieg getrennt, aber durch Menschlichkeit verbunden. Doch nicht jeder verstand das. In Nachkriegsdeutschland war es lange Zeit fast tabu, positiv über die Zeit in amerikanischer Gefangenschaft zu sprechen.
Man fürchtete, missverstanden zu werden. Viele schwiegen lieber, um nicht als undankbar gegenüber den eigenen Landsleuten zu gelten. Erst Jahrzehnte später als Historiker begannen, die Geschichten der Lage systematisch zu erforschen, kam die Wahrheit ans Licht, das hunderttausende deutsche Soldaten in Amerika nicht nur überlebten, sondern dort zum ersten Mal das Konzept echter Freiheit erlebten.
Inzwischen war die Welt in den kalten Krieg geraten. Deutschland war geteilt und die ehemaligen Gefangenen sahen mit Sorge, wie ihr Land wieder zwischen zweien Mächten zerrieben wurde. Viele schrieben in Tagebücher, dass sie in jenen Jahren in Amerika gelernt hätten. Was sie in Deutschland nun vermissten, Toleranz, Offenheit, Respekt.
Diese Erfahrungen wurden zu einem stillen Fundament der jungen Bundesrepublik, ungeschrieben, aber tief verankert in den Kötzen der Männer, die einst in Kansas, Texas oder Oklahoma gefangene gewesen waren. Und so während sich die Welt neu ordnete, blieb der Gedanke bestehen, dass der wahre Sieg Amerikas nicht auf dem Schlachtfeld errungen wurde, sondern in den Herzen jener, die einst seine Fe F.