Prag, 27. Mai 1942. Eine Kurve in der Straße Vauer Holischowitschkach im Stadtteil Lieben. Ein offener Mercedes nähert sich. Am Steuer sitzt kein gewöhnlicher Mann. Es ist Reinhard Heidrich, SS. Obergruppenführer, stellvertretender Reichsprotektor und einer der mächtigsten Männer des Dritten Reichs. Zwei Männer treten aus dem Schatten, eine Maschinenpistole klemmt, eine Granate fliegt.

Die Explosion zerreißt das Auto. 8 Tage später ist Heidrich tot. Aber wer war dieser Mann? Der Mann, den selbst die Nazis den Henker nannten, der Mann, der die Wannseekonferenz leitete, der Hauptarchitekt des Holocaust. Dies ist die Geschichte von Reinhard Heidrich, eine Geschichte von Ehrgeiz, Brutalität und industriellem Massenmord.
7. März 1904, Halle an der Sale. Reinhard Tristan. Eugen Heidrich wird in eine bildungsbürgerliche Familie geboren. Sein Vater Bruno Heidrich ist Opernsänger, Komponist und Leiter eines Konservatoriums seine Mutter Elisabeth, stammt aus einer Musikerfamilie. Dies ist keine arme Familie, keine radikale Familie, keine Familie der ersten Stunde des Nationalsozialismus.
Es ist eine Familie der Kultur, der Bildung, der Musik. Der junge Reinhard lernt mit 5 Jahren Geige spielen. Er entwickelt ein beachtliches musikalisches Talent. Er besucht das Gymnasium. Er macht das Abitur, aber er ist auch ein schwacher Junge, körperlich nicht robust. Deshalb beginnt er Sport zu treiben, Fechten, segeln, reiten.
Er formt seinen Körper, er will stark werden. Mit 16, im Jahr 1920 schließt er sich dem Freikorps Merkel an. Hier kommt er mit völkischen und antisemitischen Ideologien in Kontakt. Er ist kein organisierter Nazi, aber er ist nationalistisch. Antisemitisch, geprägt vom Geist der Nachkriegszeit, vom Hass auf die weimerer Republik von Revanchismus und völkischem Denken.
1922 mit 18 Jahren tritt Heidrich in die Reichsmarine ein. Das ist ein sicheres Einkommen, gesellschaftliches Prestige, eine Karriere. Er dient auf dem Segelschulschiff Nobe, später auf dem Schulkreuzer Berlin. Er wird zum Leutnand befördert. Die Karriere läuft. Heidrich ist noch kein Parteimited, noch nicht in der NSDAP, aber seine Weltanschauung ist bereits geprägt.
Dann kommt das Jahr 1931. Zwei Ereignisse verändern alles. Erstens, er lernt Lina von Osten kennen, eine Lehrerstochter und eine glühende Nationalsozialistin. Sie wird seine Frau und sie wird seinen Weg beeinflussen. Zweitens, er wird aus der Marine entlassen im April. Unehrenhaft, wegen eines gebrochenen Heiratsversprechens an eine andere Frau und wegen arroganten Verhaltens vor einem Ehrengerichtshof.
Mitten in der Weltwirtschaftskrise steht Heidrich plötzlich ohne Arbeit da. Über Karl Freiherr Eberstein kommt er in Kontakt mit Heinrich Himler. Himler, der Reichsführer SS, sucht jemanden zum Aufbau eines Nachrichtendienstes für die SS. Er glaubt fälschlicherweise, Heidrich sei ein Abwehrspezialist wegen seiner Marineausbildung.
Im Jahr 1931 macht Heidrich den entscheidenden Schritt. Am 30. Mai 1931 tritt er der NSDAP bei. Wenige Wochen später, am 14. Juli 1931 tritt er der SS bei. Er ist 27 Jahre alt, arbeitslos und jetzt Nationalsozialist. Und hier beginnt eine der steilsten und tödlichsten Karrieren des Dritten Reichs.
Himler beauftragt Heidrich mit dem Aufbau des Sicherheitsdienstes der SS. Das SD Heidrich ist brillant in dieser Aufgabe. Er ist organisiert, effizient, gnadenlos und er hat keine moralischen Skrupel. Im Jahr3, als Hitler an die Macht kommt, wird Heidrich Leiter des politischen Nachrichtendienstes und Stellvertreter Himmlers bei der politischen Polizei in Bayern, 1934 wird er Leiter der Gestapo in Preußen.
1936 ist der Chef der gesamten Sicherheitspolizei, Gestapo und Kriminalpolizei sowie des SD. Historiker sprechen vom Radikalismus des späten Konvertiten. Heidrich, der erst relativ spät Parteimited wurde, ist besonders brutal, besonders fleißig, besonders unerbittlich. Er will sich profilieren. Er will beweisen, dass er ein echter Nationalsozialist ist, härter als die alten Kämpfer, kompromissloser.
Im Jahr 1934 ist er maßgeblich beteiligt an der sogenannten Römaffäre. SA Chef Ernst Röm und dutzende andere SA Führer werden ermordet. Heidrich lieferte Akten, Informationen und Rechtfertigungen für die Ermordungen. Im November 1938 in der Reichspogromnacht koordiniert Heidrich die polizeilichen Maßnahmen.
Er gibt Befehle zur Nichtbehinderung der Täter. Er liefert Anweisungen, wie die Polizei sich zu verhalten hat. Jüdische Geschäfte werden geplündert. Synagogen brennen. Menschen werden ermordet. Heidrich organisiert den Terror. Am 27. September 1939, kurz nach Kriegsbeginn, wird Heidrich Leiter des Neugeschaffenen Reichsicherheitshauptamts des RSHA.
Dies ist die Zentrale des NSOR Gestapo, Kriminalpolizei, Sicherheitsdienst, alles unter einem Dach. und Heidrich steht an der Spitze. Nach dem Überfall auf Polen im September 1939 leitet Heidrich die Einsatzgruppen. Mobile Mordkommandos, die hinter der Wehrmacht herziehen. Sie ermorden Intellektuelle, Politiker, Priester, Juden, zehntausende sterben.
Nach dem Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 wird der Massenmord noch systematischer, noch brutaler. Die Einsatzgruppen ermorden über eine Million Menschen, Männer, Frauen, Kinder, erschossen am Rand von Massengräbern. Es ist industrieller Mord. Am 31. Juli 1941 erhält Heidrich von Hermann Göring einen Auftrag.

Den Auftrag, der ihn zum Hauptarchitekten des größten Massenmordes der Geschichte macht, Göring beauftragt ihn mit der Endlösung der Judenfrage. Die systematische Vernichtung aller Juden im deutschen Machtbereich. Heidrig geht an die Arbeit. Systematisch, effizient ein Technokrat. Am 20. Januar 1942 leitet er die Wannseekonferenz in Berlin.
15 hochrangige Vertreter von Staat und Partei treffen sich in einer Villa am Wannsee 90 Minuten. Ein Protokoll: Die Bürokratie des Massenmordes. Heidrich präsentiert die Pläne. Deportation, Arbeitseinsatz, Vernichtung. Elf Millionen Juden sollen sterben. Die Männer nicken, diskutieren Details, koordinieren ihre Dienststellen.
Dann gehen sie zum Mittagessen über. Nach Heidrichs Tod wird die größte Mordaktion des Holocaust nach ihm benannt, Aktion Reinhard. Zwischen Juli 1942 und Oktober 1943 werden fast 2 Millionen Menschen ermordet in Belzek, in Sobibor, in Treblinka. Vernichtungslager errichtet zu einem einzigen Zweck, Menschen zu töten, so effizient möglich.
Im September 1941 erhält Heidrich einen neuen Posten. Stellvertretender Reichsprotektor von Böhmen und Meeren, also der besetzten Tschechoslowakei Hitler persönlich ernt ihn. Die Lage dort ist angespannt. Der Widerstand wächst. Heidrich soll Ordnung schaffen und das tut er mit einer Mischung aus Terror und Befriedungspolitik.
Einerseits Massenhinrichtungen, Hunderte Tschechen werden erschossen. Andererseits Verbesserung der Lebensbedingungen für Arbeiter, höhere Lebensmittelrationen, bessere Arbeitsbedingungen. Die Zuckerbrot und Peitschemhode, es funktioniert zumindest oberflächlich. Die Produktion steigt, der offene Widerstand nimmt ab.
Aber in London plant die tschechoslowakische Exilregierung unter Edward Benisch etwas anderes, eine Kommandoaktion. Codename: Operation Anthropoid, das Ziel: Reinhard Heidrich ermorden. Zwei Soldaten werden ausgewählt. Josef Gabchik, ein Slowake und Jan Kubisch, ein Tscheche. Sie werden in England vom britischen Special Operations Executive ausgebildet.
Ende Dezember1 werden sie mit Fallschirmen über dem Protektorat abgesetzt. Monatelang bereiten Sie das Attentat vor. Sie nehmen Kontakt zum tschechischen Widerstand auf. Sie beobachten Heidrichs Gewohnheiten und sie warten auf den richtigen Moment. Heidrich fährt demonstrativ ohne bewaffneten Schutz durch Prag.
Ein Zeichen seiner Befriedungspolitik, ein Zeichen seiner Arroganz. Es wird sein Todesurteil sein. 22. Mai 1942 10:35 eine Kurve in der Straße V Holowitschkach im Stadtteil Lieben. Heidrichs offener Mercedes nähert sich. Gabik tritt hervorzielt mit seiner Stehmaschinenpistole drückt ab. Nichts. Ladehemmung. Heidrich befiehlt seinem Fahrer zu halten.
Er zieht seine Pistole. Ein fataler Fehler. Statt weiterzufahren, steigt er aus. Kubish wirft eine modifizierte Hawkins Granate. Sie verfehlt den Innenraum des Wagens, explodiert neben dem rechten Hinterrad. Die Explosion zerreißt das Auto. Heidrich wird von Granatsplittern getroffen in die Seite, in den Rücken.
Aber zunächst scheint es nicht tödlich. Heidrich wird ins Krankenhaus gebracht. Die Ärzte operieren. Sie entfernen Splitter. Sie nähen Wunden. Anfangs sieht es gut aus, aber dann verschlechtert sich sein Zustand, eine Infektion, Blutvergiftung, Sepsis, wahrscheinlich durch Tetanus oder anerobe Keime.
Penicillin ist nicht verfügbar. Die Medizin der Zeit kann nichts mehr tun. Am 4. Juni 1942, 8 Tage nach dem Attentat, stirbt Reinhard Heidrich. Er ist 38 Jahre alt. Die Rache des Regimes ist entsetzlich. Hitler befiehlt brutale Vergeltungsmaßnahmen. Das tschechische Dorf Lidite wird dem Erdboden gleich gemacht. Alle 173 männlichen Einwohner werden erschossen.
Die Frauen werden in Konzentrationslager deportiert. Die Kinder, nur wenige sogenannte arische Kinder, werden zur Zwangsadoption ausgewählt. Die meisten werden im Vernichtungslager Chelm ermordet. Das Dorf wird niedergebrannt, dem Erdboden gleich gemacht. Es soll keine Spur mehr davon geben. Insgesamt werden als Vergeltung für das Heidrichattentat über 500 Menschen hingerichtet.
Auf dem Schießplatz Kobli sie bei Prag. In Konzentrationslagern willkürlich, ohne Prozess, Terror als Vergeltung. Die Attentäter, Gabschik, Kubisch und fünf weitere Widerstandskämpfer verstecken sich in der Krypter der Syril und Methodkirche in Prag. Aber sie werden verraten, am 18. Juni 1942 stürmen 350 SS Männer die Kirche, ein mehrstündiges Feuergefecht.
Die SS setzt Tränengas ein, versucht die Krypta zu fluten. Die Widerstandskämpfer haben keine Chance. Sie nehmen sich das Leben. Jeder von ihnen. Sie werden nicht lebend gefangen. Heidrich erhält ein Staatsbegräbnis. Hitler persönlich hält die Trauerrede, Himmler glorifiziert ihn als Meertürer.
Die größte Mordaktion des Holocaust wird nach ihm benannt, Aktion Reinhard. Als wäre der Tod von fast 2 Millionen Menschen ein Denkmal für einen Mann. Was bleibt von Reinhard Heidrich? Ein Mann aus bildungsbürgerlichem Hause, musikalisch begabt, intelligent, ein Mann, der schon früh mit nationalistischen und antisemitischen Ideen in Berührung kam, der aber erst mit 27 Parteimglied wurde, ein Opportunist, ein Karrierist, jemand, der in der SS seine Chance sah und der dann zu einem der schlimmsten Massenmörder der Geschichte wurde. Historiker nennen
ihn den idealen Nationalsozialisten. Kalt, effizient, gnadenlos. Er hatte keine ideologischen Zweifel, keine moralischen Bedenken. Er sah die Vernichtung von Millionen Menschen als administrative Aufgabe, als Problem, das gelöst werden muss, als Karrieremöglichkeit. Er war kein Monster im klassischen Sinne. Er spielte Geige.
Er liebte seine Kinder. Er war ein kultivierter Mann aus guter Familie. Und genau das macht ihn so erschreckend. Er zeigt, dass die größten Verbrechen nicht von Wahnsinnigen begangen werden, sondern von intelligenten kultivierten Menschen, von Bürokraten, von Technokraten, von Menschen, die menschliches Leben als Statistik sehen.
Heute erinnert ein Denkmal am Ort des Attentats an die Operation Anthropoid. In der Krypta der Kirche ist ein Museum. Gabschik und Kubisch sind Nationalhelden Tschechiens Straßen tragen ihre Namen. Filme wurden über sie gedreht. Sie riskierten alles und sie bezahlten mit ihrem Leben. Aber sie zeigten der Welt. Es gab Widerstand.
Es gab Menschen, die kämpften und Heidrich, sein Name, ist für immer mit dem Holocaust verbunden, mit dem industriellen Massenmord an 6 Millionen Juden, mit dem Tod von Millionen Polen, Russen, Roma, Homosexuellen Behinderten mit dem größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte. Er war einer seiner Hauptarchitekten, einer seiner Organisatoren, einer der Männer, die am Wannsee saßen und über das Schicksal von Millionen entschieden.
von 1931 bis 1942, 11 Jahre. In dieser kurzen Zeit wurde Heidrich zu einem der mächtigsten und gefährlichsten Männer Europas, vom Arbeitslosen Marinoffizier zum Chef des Reichsicherheitshauptamts, vom nationalistischen Opportunisten zum Massenmörder. Seine Karriere zeigt, wie schnell aus einem Menschen mit fragwürdigen Ansichten ein Kriegsverbrecher werden kann, wenn die Umstände stimmen, wenn die Gelegenheit da ist, wenn es keine moralischen Grenzen gibt.
Dies ist die Geschichte von Reinhard Heidrich. er zählt nicht zur Glorifizierung, sondern als Warnung, als Mahnung, als Erinnerung daran, wozu Menschen fähig sind und als Gedenken an die Millionen, die durch seine Befehle starben. Folgt uns für weitere Geschichten aus dem Zweiten Weltkrieg. Schreibt in die Kommentare, welche WW2 Persönlichkeit interessiert euch als nächstes.
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