Über kaum etwas dachten die Soldaten und Taktiker der Geschichte so viel nach wie darüber, wie man eine Schlacht gewinnt. Für das Mittelalter hat Jean de Bu, ein französischer Soldat und Admiral, der im 15. Jahrhundert lebte, eine interessante Antwort gefunden.

Um eine Schlacht zu gewinnen, musste man unbedingt in der Defensive bleiben, weil daher das Angriff immer im Nachteil war. Aber was genau meinte er damit und welche praktische Bedeutung hatte das für die Kriegsführung im Mittelalter? Beginnen wir mit einem Beispiel. Am 25. Oktober 1415 standen sich auf einem frisch gepflügten Feld nachher des kleinen Ortes Asangur zwei gewaltige Heere gegenüber.
Nach langem Warten rückten die Engländer vor, gruben sich etwa 250 m vor der französischen Front ein und brachen die angespannte Stille mit dem Sirren eines Pfeilhagels. Die französische Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Ihre Kavallerie stürmte gegen die englische Linie an, stieß aber auf eine Reihe von angespitzten Pfehlen, die die englischen Bogenschützen in den Boden getrieben hatten.
Vom heftigen Widerstand der Engländer vor den Kopf gestoßen, drehten die französischen Reiter um und brachten dabei die Infanterie, die ihn gefolgt war, in Unordnung. Der Vormarsch wurde chaotisch und verlangsamte sich, was den englischen Bogenschützen Zeit gab, ihr tödliches Handwerk auszuüben. Kurz nachdem die französische Infanterie die englischen Linien endlich erreicht hatte, kamen die beiden Heere zum Stillstand.
Die rangen um die Oberhand, bis sich die englischen Schützen auf den Flanken in den Nahkampf warfen und damit das Schicksal der Franzosen besiegelten. John Deb erklärt die französische Niederlage bei Ashankour damit, dass die Engländer eine feste Position einnahmen und die Franzosen durch den Pfeilbeschuss zwangen, die Initiative zu ergreifen.
Sie mussten sich entweder zurückziehen oder in die taktische Offensive gehen und den weiten Weg bis zu den englischen Linien marschieren, was ihn wie wir gesehen haben, zum Verhängnis wurde. John de Bu nennt sechs weitere Beispiele, in denen ein Heer in der Angreiferrolle auf ähnliche Art scheiterte und zieht den Schluss.
Eine Formation zu Fuß sollte niemals vorwärts marschieren, sondern immer stehen bleiben und den Feind erwarten. Denn wenn sie marschiert, kann sie ihre Ordnung nicht aufrech erhalten. Es braucht nur einen Busch, um sie in Unnung zu bringen. Ein Heer, das vor einem anderen her marschiert wird, besiegt. Es sei denn, Gott gewährt ihm Gnade.
Auch neben den Beispielen von der BA untermauern zahlreiche Schlachten, dass Armeen, die in der Defensive blieben, einen Vorteil hatten. Eindrücklich sind z.B. die Armeen der Husiten, die dank ihrer Wagenburgen immer wieder überlegene Ritterere besiegten. Sie gingen fast nie in die Offensive, sondern warteten, bis der Gegner angriff, schwächten ihn und führten einen Gegenstoß, sobald er sich eine Blöße gab.
Diese Beispiele zeigen, dass an Debes Aussage etwas dran ist. Deshalb glauben auch die meisten modernen Historiker, dass die Seite, die in der Defensive blieb, tatsächlich ein Vorteil hatte. Clif Rogers hat das z.B. schon 1996 in einem Aufsatz ausführlich diskutiert und auch andere Taktiker haben das erkannt.
Karl von Klausewitz schrieb beispielsweise: “Wir sagen also, die Verteidigung ist die stärkere Form des Krieges. Aber warum genau war es denn so vorteilhaft in der Defensive zu bleiben? Zwei Faktoren waren entscheidend. Im Normalfall hatte die defensive Seite die Kontrolle über das Schlachtfeld. Sie konnte den Angreifer in einer vorteilhaften Position erwarten, z.B. auf einer Anhöhe, hinter einem Engpass oder vor einem sumpfigen Gelände.
Der Vorteil, den die Wahl des Schlachtfeldes brachte, war manchmal so groß, dass die Angreifer gar keinen Sinn darin sahen zu kämpfen und stattdessen versuchten die Verteidiger in eine ausgeglichen Situation zu locken oder der Konfrontation ganz auswichen. Der zweite entscheidende Vorteil der Defensive war, dass man seine Position halten konnte.
Mittelalterliche Infanterie kämpft im Normalfall in engen Formationen, weil man in der Schlacht die besten Chancen hatte, wenn man dem Gegner eine geschlossene Front aus Spießen präsentieren konnte. Das Problem war, dass es für Soldaten, die nicht regelmäßig zusammen traainierten, schwierig war, sich in Formation zu bewegen. Selbst das kleinste Hindernis konnte zu einem Problem werden.
Flüsse, Hügel oder Feldbefestigungen waren fast unüberwindbar und selbst ein Busch, ein großer Stein oder feindlicher Beschuss konnten zu Unnung führen und die Konsequenzen einer zerrütteten Formation waren schwerwiegend. Christine de Bison, eine der ersten französischen Schriftstellerinnen, fasst sie so zusammen. Zwei große Übel können eine Formation ereilen, die in Unordnung gerät.
Das eine ist, dass die Feinde leichter in sie eindringen können. Das andere ist, dass sie so zusammengedrängt wird, dass sie nicht kämpfen kann. Daher ist es notwendig, eine Formation in Reih und Glied zu halten und zwar eng und zusammenhängend wie eine Mauer. Zeitgenössische Berichte begründen Niederlagen oft damit, dass seine Formation zerfiel, z.B. auch bei der Schlacht bei Ashanku.
Dort trafen gleich beide diese großen Übel ein. Zuerst brachten der machige Boden und die französischen Beritenen die vorrückende Infanterie in Unordnung, was sie für die englischen Pfeile verwundbar machte. Dann wurden die etwacht Mann, die an vorderster Front gegen die Engländer kämpften, zwischen dem Feind und den eigenen Kameraden eingeklemmt.
Dieses erstaunlich häufige Phänomen bezeichnen mittelalterliche Autoren manchmal als die Presse. Soldaten, die in die Presse gerieten, konnten kaum noch kämpfen, weil der Druck so groß war und wurden manchmal sogar zerquetscht. Wenn man in eine solche, sagen wir mal, unangenehme Lage kam, war die richtige Bodenhaftung wichtig. Bodenhaftung erzeugte man schon damals am besten mit gutem Schuhwerk.
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Folglich war die Chance groß, dass sie eine Niederlage erleiden würde. Die Partei, die in der Defensive war, hatte also einen klaren Vorteil. Das wussten natürlich auch die Soldaten und Taktiker der Zeit. In der Praxis führte diese ungleiche Ausgangslage dazu, dass man versuchte, den Gegner in eine Position zu bringen, in der er gezwungen war, die Initiative zu ergreifen, während man selbst in der sicheren defensiven Position blieb.
Das wirft die Frage auf, warum man überhaupt das Risiko eines Angriffskrieges einging, wenn man als Angreifer ja a priori im Nachteil war. Die Antwort klingt einfach, ist es aber nicht. Mit einer defensiven Strategie kann man kein offensives Ziel erreichen. Um einen erfolgreichen Angriffskrieg zu führen und seine Kriegsziele zu erreichen, musste ein Angreifer auf der strategischen größeren Ebene in die Offensive gehen, aber gleichzeitig dafür sorgen, dass er bei konkreten Auseinandersetzungen die taktisch defensive Position hatte.
oder einfacher gesagt, der Trick war ins Feindesland einzumarschieren, aber dann den Verteidiger dazu zu bringen, zuerst anzugreifen. Die große Frage ist, wie man das anstellte, denn auch die andere Seite wusste ja, dass sie im Nachteil war, wenn sie in die Offensive ging. Die Lösungen, die die Herführer des Mittelalters fanden, lassen sich vereinfacht in drei Kategorien einteilen.
Die erste Option war ein Angriff auf die Ehre des Gegners, z.B. durch eine Beleidigung oder eine Drohung. Die einfachste und häufigste Form einer solchen Provokation war das Eindringen in fremdes Herrschaftsgebiet. Diese wortwörtliche Grenzüberschreitung war eine ebenso deutliche Herausforderung wie ein geworfener Fedehandschuh.
Der Angegriffene musste darauf reagieren, um seine Ehre zu schützen. Häufig war es aus militärischer Sicht klüger, die Herausforderung zu ignorieren, aber auch das bar ein sehr reales Risiko. Als Edward II von England 139 zu Beginn des Hundertjährigen Krieges erstmals eine Armee nach Frankreich führte, verzichtete Philip darauf, das Invasionsher anzugreifen.
war militärisch klug, wurde ihm aber von vielen seiner Landsleute als Feigheit ausgelegt, was sein Ruf massiv schädigte. Viele französische Ritter warfen ihm vor, er handle wie ein Fuchs, ehrlos und hinterlistig und zeigten ihr Missfallen öffentlich, indem sie Mützen aus Fuchsfeld trugen. Sie lehnten einen Herrscher ab, der eine solche Beleidigung ungestraft akzeptierte.
Die Wirkung einer Provokation wurde durch symbolische Gesten verstärkt. Eduard II. betrat Frankreich z.B. ganz bewusst am 9. Oktober, dem Festtag von Saint Denny, dem Schutzheiligen der französischen Monarchen. Um sicherzugehen, dass der Feind nicht so tun konnte, als hätte er nichts von der Herausforderung bemerkt, informierte man ihn gleichzeitig per Brief. Diese Briefe konnten sehr höflich sein, aber auch drohend oder beleidigend.
Ihr wichtigstes Ziel war von Anfang an klarzustellen, daß der Angreifer bereit war, dem Verteidiger die Gelegenheit zu geben, seine Ehre wiederherzustellen, indem er sich einer Schlacht stellte. Sie machten also klar, dass es am Beleidigten war, die Initiative zu ergreifen.

Er sollte die taktische Defensive aufgeben, um seine Ehre zu schützen, obwohl er eigentlich in der verteidigenden Position war. Henry of Gromand, der erste Duke of Lancaster, formulierte die entscheidende Stelle z.B. So mein Herr antwortete, dass er in diese Gegend gekommen sei, um bestimmte Geschäfte zu erledigen, die er nun, Gott sei Dank erfolgreich abgeschlossen habe und dass er nun den Rückweg antrete.
Und wenn der besagte König Johann von Frankreich ihn auf seinem Weg stören wolle, sei er durchaus bereit, ihm entgegenzutreten. Das Problem mit Provokationen war, dass sie nur dann funktionierten, wenn das Ehrgefühl des Angegriffenen ihn dazu brachte, die Stimme der Vernunft zu ignorieren. Wenn er einen kühlen Kopf behielt, verließ er es seine vorteilhafte Position im Normalfall nicht.
Deshalb versuchte man die Herausforderungen so zu formulieren, dass eine Ablehnung der Ehre des Feindes maximalen Schaden zufügte, z.B. indem man ihn als Feigling hinstellte. Ein geschickt formulierter Brief ließ dem Angegriffenen fast keine andere Wahl als sich zu verteidigen, weil eine passive Haltung ihm mehr schaden konnte als eine Schlacht in einer schlechten Ausgangslage.
Die zweite Option war es, den Feind unter Druck zu setzen, indem man eine Stadt belagerte, die symbolisch oder wirtschaftlich wichtig war. Der Verteidiger musste dann die Initiative ergreifen und in die Offensive gehen, um sie zu retten. Wenn er die Stadt aufgab oder zu lange wartete, konnte ihm das als nichterfüllung seiner Pflicht als Herrscher oder schlicht als Unfähigkeit ausgelegt werden.
Die Belager hatten ihrerseits alle Zeit der Welt und konnten in einer Stellung ihrer Wahl auf ihn warten. Diese Taktik wandte Edward II. Z.B. an, als er 133 Burwig belagerte. Und die Schotten so zwang, ihre starke Position zu verlassen und seine Truppen bei Halon Hill anzugreifen. Sie mussten sich den Engländern über ein Sumpfgebiet nähern und wurden von deren Bogenschützen gnadenlos über den Haufen geschossen.
Ein Feind auf diese Weise unter Druck zu setzen war teuer und zeitaufwendig. Wichtige Städte waren in der Regel gut befestigt und das Manöver funktionierte nur, wenn es dem Angreifer gelang, die Stadt in die Knie zu zwingen. Erst wenn die Garnison Hilfe brauchte und die Gefahr bestand die Stadt wirklich fiel, stieg der Druck ihr zu Hilfe zu kommen.
Und erst dann lohnt es sich für ein Landesherrn das Risiko eines Angriffs einzugehen. Einrichter V musste Rouan über 6 Monate lang belagern, bis dieser Punkt erreicht war. sechs Monate, die ihn viel kosteten und für seine Männer fast so beschwerlich waren wie für die Menschen der Stadt. Zu seinem Leidwesen stellte er dann fest, dass der Landesher manchmal lieber eine Stadt aufgab, als das Risiko einer Schlacht einzugehen.
Die Franzosen stellten zwar ein Heer auf, um Ruant zu befreien, entschieden sich aber dann dagegen anzugreifen. Ein Gegner so in die Offensive zu drängen bedürfte einigen Fingerspitzenfühls. Manchmal reichte Druck allein nämlich nicht aus. Als Edward II Gal belagerte, wollte Philip VI keine Schlacht riskieren, obwohl die Stadt strategisch entscheidend war und kurz vor der Kapitulation stand.
Edward versuchte dann ihn aus der Deckung zu locken, indem er anbot, auf einem Schlachtfeld zu kämpfen, das ein Komitee aus Rittern beider Seiten auswählte. Philip lehnte ab, weil er wusste, dass selbst auf einem offenen Feld eher derjenige sein würde, der unter Druck stand, anzugreifen und eine Entscheidung herbeizuführen.
Dadurch hätte immer noch er die offensive Rolle übernehmen müssen und die Schlacht wäre eben doch nicht fair gewesen. Dieses Beispiel zeigt schön das Zusammenspiel von strategischen Kriegszielen und taktischer Notwendigkeit auf. Strategisch brauchte Edward eine Schlacht, um seine Ziele zu erreichen. Taktisch wollte er sie unbedingt in der Defensive kämpfen, weil er dann im Vorteil war.
Um das beides gleichzeitig zu erreichen, war er sogar bereit, seine starke Stellung aufzugeben. Umgekehrt traf Philip aus taktischer Sicht die einzig richtige Entscheidung, indem er sich nicht auf das Angebot einließ. Die dritte Möglichkeit, eine verteidigende Armee dazu zu bringen, die Initiative zu ergreifen, war Zerstörung.
Eines der wichtigsten Mittel der Kriegsführung des Mittelalters waren sogenannte Schvoch, bei denen berittende Einheiten das Gebiet des Gegners brandschatzten. Diese Plünderungen waren sehr effizient, weil man dadurch die Ressourcen des Gegners nicht nur zerstörte, sondern sie auch gleich für die eigene Sache gewann. Dazu kam, dass Bevölkerung und Wirtschaft Litten, was politischen Druck auf den Herrscher erzeugte.
Irgendwann war dieser Druck so groß, dass der Angegriffene entweder den Forderungen des Angreifers nachgeben oder ihn in einer Schlacht konfrontieren musste. Das war z.B. bei der Schlacht bei Gressi der Fall. Als die Truppen Eduards des II 1346 plündern durch Frankreich zogen, marschierte Philip gegen sie auf.
Die Engländer zogen sich nach Norden zurück, umgingen eine Blockade an der Somm und stellten sich ihren Verfolgen auf einem Schlachtfeld, auf dem sie klar im Vorteil waren. Philip griff trotzdem an und die englischen Langbogenschützen schossen mehrere Wellen seiner genuischen Armbrustschützen und französischen Ritter über den Haufen. Edward hatte es geschafft, die Franzosen dazu zu bringen, die taktische Initiative zu ergreifen.
Sie gingen in die Offensive und verloren die Schlacht. Natürlich gewann nicht immer die Seite, die in der Defensive war. Es gab auch noch zahlreiche andere entscheidende Faktoren. Der Vorteil der taktischen Defensive war aber immerhin so groß, dass es ein wichtiger Teil mittelalterlicher Kriegsführung war zu versuchen, den anderen in eine offensive Position zu drängen.
Der Angreifer wollte eine Situation schaffen, in der der Verteidiger zum Handeln gezwungen war, indem er seine Ehre verletzte, eine Stadt bedrohte oder versuchte durch Plünderungen die Wirtschaft und das Ansehen des Landes herr nachhaltig zu schädigen. Der Verteidiger versuchte genau das zu verhindern. Er wollte, dass der Angreifer auch taktisch in die Offensive gehen musste, um seine Ziele zu erreichen.
Das war in vielen Fällen die anspruchsvollere Aufgabe, weil der Verteidiger Plünderungen und Verluste hinnehmen musste, bis der Angreifer sein Vorhaben aufgab taktische Initiative ergriff. Das wiederum tat er meist nur, wenn ihm die Vorräte ausgingen, oder er sonst unter Handlungszwanget. Wenn man lange genug durchhielt, besiegte sich jeder Eindringling irgendwann selbst, aber man musste lange genug durchhalten. Das Hin und Herfensive war ein Kernelement mittelalterlicher Kriegsführung.
John de Bu hatte also zumindest teilweise Recht, sich in eine taktisch defensive Position zu bringen bzw. den Gegner in eine Offensive war entscheidend für die Chancen in einer Schlacht und zwar nicht nur im hundertjährigen Krieg. Auch viel früher und noch lange danach spielte das Ungleichgewicht zwischen Offensive und Defensive eine wichtige Rolle in den Überlegungen großer Taktiker, wie eben z.B. Karl von Klausewitz.
Der chinesische Stratege Sunze schrieb schon um 500 vor Christus: “Unbesiegbarkeit liegt in der Verteidigung. die Möglichkeit zu gewinnen im Angriff. Zum Schluss noch mal vielen Dank an Gießwein für ihre Unterstützung. Wenn ihr euren Füßen etwas Gutes tun wollt, dann schaut in ihrem Shop vorbei und profitiert mit dem Code Geschichte 20 von 20% Rabatt auf das gesamte Sortiment.