Wildhüter der seine Töchter in sein Bett zwang — Benno Habrechts dunkles Geheimnis…

Wildhüter der seine Töchter in sein Bett zwang — Benno Habrechts dunkles Geheimnis…

Der Wind strich kalt über die Schwarzwaldhänge, als hätte er sich vorgenommen, jedes Blatt, jeden Ast, jedes Geheimnis aus der Erde zu reißen. Seit Generationen erzählten die Menschen in den verstreuten Dörfern rund um den Schluchtwald, dass diese Berge sich Dinge merkten, die kein Mensch aussprechen wollte.


Und manchmal, sagten die Alten, gaben sie das Vergessene wieder frei. Nicht aus Gnade, sondern aus Gerechtigkeit. Ich bin Klara Böhm, Rundfunkjournalistin, Mitte 50 und ich habe vor dreig Jahren eine Geschichte begonnen, die nie zu Ende erzählt wurde. Eine Geschichte über einen Vater, der glaubte, seine Töchter gehörten ihm wie erlegtes Wild. Eine Geschichte über ein Dorf, das zu lange schwieg und über einen Jagdbericht, der mich in einer verlassenen Hütte im Schwarzwald fand, in einem Raum, der roch nach feuchtem Holz, Ruß.
und ungesagten Dingen. Die Hütte lag oberhalb eines alten Forstweges, ungefähr eine Stunde vom nächsten Ort entfernt, in einer Senke, in der das Tageslicht selbst im Sommer kaum bis zum Boden reichte. Der ehemalige Besitzer hieß Benno Habrcht, bekannt im ganzen Landkreis als Wildhüter, Fallensteller und Eigenbrötler.
Drei Töchter hatte er und alle drei verschwanden im Jahr, in dem Benno Schwieg. Plötzlich vollständig, ohne Spur. Offiziell hieß es damals, er sei im Wald ums Leben gekommen. Eine Leiche fand man nie und die Mädchen? Man sagte, die Familie sei fortgezogen, weiter südlich vielleicht, näher an die reinen Ebene. Niemand fragte nach Beweisen, niemand wollte sie hören.
Als ich die Hütte betrat, das Holz der Tür unter meiner Hand splitternd, hörte ich noch das Knacken des Ofens aus einer Zeit, in der jemand hier lebendig gewesen war. Doch es gab keinen Geruch von Leben, nur Staub, Moder, alte Spuren. Neben dem zerrosteten Holzofen fand ich ein dünnes Brett, dessen Farbe zu sauber wirkte.
Jemand hatte es ersetzt, jahre nachdem der Rest der Hütte dem Verfall überlassen worden war. Darunter lag ein Blechkasten mit Öl und Ruß verschmiert. Ich öffnete ihn mit einem Schraubenzieher und beim ersten Blick in den Kasten zog es mir den Atem aus der Brust. Polaroids, 20, vielleicht drei Mädchen immer dieselben, in selbstgenähten Kleidern, ausgeblichen, still, kein Lächeln, kein Licht in den Augen und unter den Fotos ein ledergebundener Jagdbericht.
Seine ersten Seiten wirkten harmlos, wildarten, Gewichte, Fundstellen, bis ich die Spalte auf der rechten Seite sah. Feins säuberlich beschriftet, Nächte gehalten. Anfangs ein zwei Nächte, dann immer mehr. 7, 12, 18. Und in der Spalte der Beute standen plötzlich keine Tierarten mehr, sondern Namen. Helena Ruth, Maria.
Ich erinnere mich an die Kälte, die mir den Rücken hinunterlief, obwohl der Frühling draußen schon die ersten Knospen öffnete. Die letzte Zeile des Berichtes war kaum lesbar, als hätte Benno sie geschrieben, während die Tinte versiegte. Maria im Winter genommen, Hütte gesäubert, kein Datum, keine Unterschrift, nur diese fünf Worte.
Ich hätte damals sofort zur Polizei gehen sollen, aber zuerst musste ich verstehen, was ich gefunden hatte. Ich brachte den Kasten zu Markus Wend, einem jungen Beamten beim Landratsamt, der die Hütte offiziell im Auftrag der Gemeinde überprüfen sollte. Er hatte dieselbe Reaktion wie ich.
Ein Schauder, ein Atemzug, der zu lang dauerte, ein Blick, der nicht wusste, wohin er fallen sollte. Er sagte: “Kara, das wird alles verändern.” Und ich wusste, das war erst der Anfang. Der Schwarzwald hatte begonnen zu sprechen und ich würde zuhören müssen, egal wohin es führte. Markus hatte den Metallkasten kaum zugemacht, da sah ich, wie sich seine Finger verkrampften.
Er war sech Jahre im Dienst gewesen, jung, aber nicht naiv. Und doch schien ihn der Fund mehr zu erschüttern als jede Leiche, die er je gesehen hatte. Wir fahren nicht zurück ins Revier”, sagte er mit gepresster Stimme. “Nicht mit dem, nicht bevor wir wissen, wem wir das zeigen können, ohne dass es verschwindet.” Dieser Satz brannte sich mir ein.
In manchen Landkreisen, besonders in solchen, die aus verstreuten Dörfern, alten Familien und langen Erinnerungen bestehen, verschwinden Beweise und manchmal verschwinden Zeugen gleich mit. Wir fuhren nach Freiburg zu den Archivräumen des alten Rundfunkhauses, wo ich manchmal recherchierte. Der Weg führte über schmale, vereiste Straßen vorbei an Fichten, die wie stumme Wachposten standen.
Markus sprach kaum. Einmal murmelte er. Ich war ein Kind, als die Habrechtgeschichte passierte. Mein Vater sagte, man sle daushalten. Der Wald regelt sowas, hat er gesagt. Der Wald regelt sowas. Ein Satz, der so vertraut klang wie eine Drohung aus der Kindheit. Im Archiv wartete bereits jemand, den ich um Hilfe gebeten hatte.
Gundula Kern, ehemalige Gerichtsreporterin, Anfang 60, eine Frau, deren Blick Risse in Mauern finden konnte. Ich legte die Polars und den Jagdbericht vor sie auf den Tisch. Sie betrachtete die Fotos lange, ohne ein Wort zu sagen. Dann schlug sie den Bericht auf, strich mit dem Finger die Spalte, Nächte gehalten entlang und atmete langsam aus.
“Er hat Buch geführt”, sagte sie, “wie ein Jäger, aber nicht über Tiere.” Markus nickte. Es sind die drei Habrchtmädchen Helena Rut, Maria. offiziell weggezogen. Natürlich. Gundula sah uns beide an, als erwartete sie eine Antwort, die wir nicht geben konnten. “Hat damals jemand nach ihnen gesucht?”, fragte sie schließlich.
Markus schüttelte den Kopf. Der damalige Revierfürster war ein Cousin zweiten Grades von Benno. Die Habrchts waren hier oben quasi eine Dynastie. Jemand meldet drei Mädchen nicht vermisst. Das galt als Familienangelegenheit. Ich spürte Wut wie ein Feuer hinter meinen Rippen. “Wir müssen rekonstruieren, was damals wirklich passiert ist”, sagte ich, und zwar nicht anhand der Märchen, die man sich hier oben erzählt.
Am nächsten Morgen begann ich mit der mühsamen Arbeit, die Mädchen aus den Akten der Zeit zurückzuholen. Die Schulunterlagen fand ich in einem feuchten Kellerraum der alten Grundschule von Waldstädten, verschachtelt zwischen vergilbten Listen und kaputten Ordnern. Helena war bis zur vierten Klasse geführt. Rud bis zur dritten. Maria tauchte nie in den Registern auf. Jedes Mal dieselbe Notiz.
Hausunterricht, Elternwunsch. Keine Nachprüfung, kein Besuch vom Jugendamt, keine Rückfrage, nur Schweigen. Als ich später am Tag vor der Habrhütte stand, umgeben von karlen Baumkronen und dem Geruch von Erde, der schon nach Tau klang, versuchte ich mir vorzustellen, wie drei Kinder hier ihre Jahre verbracht hatten.
Kein anderer Hof in Hörweite, keine Stimmen außer seiner, kein entrinnen. Hinter der Hütte, etwa 50 Schritte in den Wald hinein, fand ich den alten Ziehbrunnen, der im Grundbuch eingetragen war. Der Betondeckel war rissig, als hätte der Winter selbst daran genagt. Ich kniete mich hin, legte eine Hand auf den kalten Rand und spürte ein Zittern in den Fingern.
Ein Gefühl, als lege dort unten etwas, das wissen wollte, dass es nicht vergessen war. Am Nachmittag klopfte ich an eine Tür, die ich wußte, daß ich klopfen mußte. Ewald Müller, Jahre alt, lebte seit fast fünf Jahrzehnten im Waldwinkel, nur zweieinhalb Kilometer von der Habrhütte entfernt.
Er öffnete, sah mich an und blinzelte, als wäre ich ein unangenehmer Gedanke, der plötzlich Gestalt angenommen hatte. “Ich weiß, wer Sie sind”, sagte er. Sie machen diese Sendung, wo man alte Sachen wieder aufrollt. Alte Sachen, die nie geklärt wurden, antwortete ich, und die nicht ruhen, nur weil man nicht hinschaut. Er ließ mich rein, aber nicht aus Höflichkeit.
Eher, weil er wusste, dass Schweigen diesmal nicht funktionieren würde. Die Küche roch nach Kaffee und altem Holz. Auf dem Tisch lagen Schrauben, Schachteln, ein halbfertiges Messer mit Hirschhorngriff. Ewald setzte sich, nahm die Mütze nicht ab und starrte auf seine Hände. “Ich habe nichts gewußt”, begann er.
“Ein Satz, den ich zu oft gehört habe, um ihm zu trauen.” “Ich brauche keine Schuldigen”, sagte ich leise. “Ich brauche Wahrheit.” Er presste die Lippen zusammen. Dann erzählte er, wie Benno manchmal nachts mit der Lampe durchs Unterholz wanderte, wie man Schreie gehört hatte, helle, kurze, erstickt wirkende und wie die Leute sagten: “Das sind die Wildschweine.
” Wie Rut einmal mit ihm war, um Werkzeuge zu tragen, dünn wie eine Kerze, die Flamme schon fast erloschen. Ihre Augen, sagte Ewald, haben ausgesehen, als hätten sie aufgehört zu hoffen. Dann erzählte er vom Winter 88 oder 89.
Benno brauchte Hilfe, etwas schweres zu transportieren, sagte aber nicht, was es war. In Tücher gewickelt, mit Stricken gebunden. Ewald dachte an Wildbret. Sie trugen es zum Brunnen, senkten es hinab. Benno zahlte Bar. Ich habe es versucht zu vergessen”, flüsterte er. 30ßig Jahre lang. Ich verließ das Haus und der Abend legte sich über den Wald wie eine Hand, die einem den Atem nimmt.
Die Geschichte wurde nicht klarer, sie wurde dunkler und ich wusste, dass wir tief im Schwarzwald erst an der Oberfläche kratzten. Am nächsten Morgen saß ich zwischen Aktenstapeln, die mehr nach verlorenen Leben rochen als nach Papier. Ich versuchte eine Chronologie zu rekonstruieren. Helenas letzte Schulteilname im Jahr 8. Roots verschwinden ein Jahr später.
Marias völlige Unsichtbarkeit. Je mehr ich zusammen trug, desto klarer wurde das Muster eines Hauses, das jahrelang niemand sehen wollte. Ich fuhr zurück in die Stadt, legte alles auf meinem Küchentisch aus und strich die Daten an, die sich wie Löcher im Gewebe anfühlten.

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